„Als
Heeresartillerie waren wir ausersehen, im Mittelpunkt des englischen Angriffs
zu stehen, den die Heeresleitung zwischen Warneton und Dixmuiden vom 20. Juli
an erwartete. Aber ein Befehl in letzter Stunde drehte uns ab und führte uns
ein paar Stunden weiter nach Süden zur „Gruppe Lille“ der 4. Armee. In der
Spätnacht des 16. wurden II. und III. Abteilung bei Deulemont, am Südausläufer
der drohenden Schlacht eingesetzt. So erhielt das Feldartillerieregiment „Nord“
als Sonderauftrag die Unter-stützung der nördlichen Nachbardivision. Da standen
wir denn wieder in dem Land mit seinen über den Wiesengrund verstreuten Hecken
und Büschen, seinen hochstämmigen Gruppen von Ulmen, Eichen und Weiden, das zum
Entzücken für jedes Malerauge, zum Kreuz für den Artilleristen vom lieben Gott
geschaffen ist. Die Batterien waren im Gebüsch verkrochen. Aber der Instinkt
unserer Urahnen kam uns zu Hilfe, wir kletterten in die Gipfel der Pappelbäume
und schufen uns da droben einen Ausguck nach dem Feind.
Unsere
nächste Aufgabe war, die englische Artillerie zu bekämpfen und zu vergasen.
Aber unsere kurzatmigen Rohre konnten die weittragenden englischen Geschütze
nicht fassen. So haben sich die Unsern Nacht um Nacht vorgepirscht zu
vordersten Schützen-linie und von dort ihre Gelb-, Grün- und Blaukreuzgranaten
zum Feind hinübergejagt. Es waren tolle Fahrten. Manches Mal hat die Batterien
da vorn die Morgendämmerung überrascht. Dann karrten sie, angesichts des
Feindes, im „sausenden Schritt“ ihren Tagesstellungen zu. Aus dem Lysgrund aber
stiegen barmherzig die Nebel und entzogen sie dem Auge des bösen Feindes.
Der
gefürchtete 20. Juli kam, brachte aber keinen Sturm. Am 25. spieen die
englischen Geschütze von Ypern Trommelfeuer nach allen Seiten, doch der
Engländer blieb in seinen Gräben. Wir hatten ihm mit unserem Vergasen sichtbar
seine Karten unterein-ander gebracht. Ach, wenn er doch kommen wollte! Stunden
bangen Harrens schlichen vorüber. Wir wußten wohl, was auf uns wartete;
deckungslos, kaum gegen Splitter geschützt, standen wir da in unseren
Sumpfstellungen, in denen schon der erste Spaten-stich auf Grundwasser stieß.
Aber das ungewisse Harren verzehrt mehr Nervenkraft als Schlacht und Sturm.“
aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg.
Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen