„31.
Juli 1917. Dieser Tag ließ nichts Gutes ahnen. Vom ersten Morgenschimmer an
suchten die niedrig fliegenden feindlichen Flieger unsere rückwärtigen
Stellungen und unsere Quartiere auf und nahmen marschierende Abteilungen unter
Feuer. In aller Frühe schon kam an uns der Befehl, die zweite Stellung für den
Fall einer nötig werdenden Besetzung zu besichtigen. Wir M. G.-Zugführer
machten uns unverzüglich auf den Weg und kamen vor bis Deimlingseck. Deutlich
war zu sehen, wie das Artilleriefeuer des Gegners überall auf unseren
rückwärtigen Linien und Unterkünften lag. Eine Baracke erhielt einen
Volltreffer. Ein Pionieroffizier sagte uns, auf der ganzen Kampflinie sei der
Alarm angeordnet.
Im
Eilmarsch ging es zur Kompagnie zurück, die schon marschbereit dastand und
sofort in die Stellungen abrückte. Unsere Gespanne wurden vorgezogen, soweit es
irgend ging. Die Wagen fuhren nach Gheluwe zurück; wir selber keuchten unter
der schweren Last der Gewehre und der Munitionskästen durch den aufgeweichten
Boden und passierten unsere Artilleriestellungen, die dauernd im schwersten
feindlichen Feuer lagen. Um 4 Uhr jedoch konnte zurückgemeldet werden:
Stellungsabschnitt besetzt!
Die
große Durchbruchsschlacht der Engländer war in vollem Gange. Langsam setzte ein
Regen ein, der über den Tag anhielt und in kurzer Zeit das Trichterfeld in
einen großen Morast verwandelte. In den zerschossenen Gräben und
Granattrichtern saßen unsere Leute Tag um Tag, notdürftig unter ein Zelt
geduckt, jeden Augenblick den Tod vor Augen. Die feindliche Artillerie funkte
unablässig, was das Zeug hielt; die unsrige blieb ihr aber nichts schuldig. Auf
einem unserer betonierten Maschinengewehr-Unterstände schlug eine schwere
Granate ein, daß der ganze Bau wackelte. Gleich darauf schlug hart nebenan eine
zweite ein und hob den Unterstand aus seiner Lage. Die
Maschinen-gewehr-Bedienung jammerte, sie wolle nicht mehr drinbleiben, sondern
auf dem freien Felde sterben. In einem anderen Maschinengewehr-Unterstand fand
sich ein General-stabsoffizier ein, der mit der vordersten Linie telephonisch
verbunden war und trotz stärkster Beschießung seelenruhig mit brennender
Zigarre seine Karten nach den von vorne kommenden Meldungen ergänzte. Schwere
Munitionskolonnen fuhren durch dick und dünn zwischen den Batteriestellungen
hindurch. Mitten in eine solche Kolonne schlug eine schwere Granate ein. Eine
riesige Feuer- und Staubwolke, ein furchtbarer Schlag – von der Kolonne war
nichts mehr zu sehen; in tausend Fetzen flog alles hoch empor. Feindliche
Flieger suchten mit großer Frechheit unsere Stellungen ab. Einer von ihnen
wurde in unserer Nähe von den Maschinengewehren heruntergeholt und stürzte
brennend zur Erde. Auf einmal tauchte ein Trupp gefangene Engländer auf, der in
beschleunigtem Tempo durch unsere Leute nach hinten verbracht wurde.
Im
Scherenfernrohr eines Artillerie-Beobachtungsstandes sah ich haarscharf das
deut-sche Trommelfeuer auf den feindlichen Linien liegen. Auch dort ist alles in
Rauch und Staub gehüllt. Als das Feuer nachläßt, beobachte ich, wie feindliche
Kolonnen im Laufschritt die dortige Stellung verstärken. Mitten in ihre Reihen
schlägt wieder das deutsche Abwehrfeuer. Überall Tod und Verderben. „So kann es
nicht mehr lange weitergehen!“ meinte ein Landsturmmann neben mir, „da wird man
ja vollends hin!“.“
aus: „Landsturm vor! Der mobile
württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929
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