„Man
kann sagen, daß während der drei Wochen eine ununterbrochene Artillerie-schlacht
tobte; auf beiden Seiten kamen die Batterien nicht zur Ruhe. Die Kanoniere
standen schweißbedeckt bei Tag und Nacht an ihren Geschützen und ließen eine
Granate nach der anderen auf die Feinde niedersausen. Selbst die schwersten
Kaliber unter-hielten ein Feuer, dessen Stärke man drei Jahre früher kaum bei
den leichten Feldge-schützen gewohnt war. Je nach dem Zweck bediente sich die
Artillerie allerlei Arten von Munition. Zum großen Verdruß unserer Gegner
verwandten wir vornehmlich zur Be-kämpfung der feindlichen Artillerie und zur
Verseuchung des Schlachtgeländes eine neue Gasgranate, das sogenannte
Gelbkreuzgeschoß, das eine furchtbare Wirkung hatte und dem die Engländer nichts
Ebenbürtiges entgegenstellen konnten. Sie machten gerne von Nebelgranaten
Gebrauch, mit denen sie kurz vor dem losbrechenden Infanterie-angriff das ganze
Kampfgelände in ein undurchdringliches Wolkenmeer einhüllten. In seinem Schutz
erhoben sich die englischen Sturmreihen aus den Granattrichtern und strebten
dann, wo die Beschaffenheit des Geländes es zuließ, von Tanks begleitet, dicht
gedrängt in vorher festgelegter Richtung auf unsere Unterstände zu. In geringer
Höhe eilten ihnen ungezählte Fliegergeschwader voraus, die sich mit Bomben und
Maschinen-gewehrfeuer am Kampf beteiligten. Auf die Mitwirkung von Minenwerfern
mußten beide Parteien verzichten. Aus der Rolle des Angreifers erwuchsen der
englischen Infanterie große Vorteile gegenüber der unsrigen. Während jene erst
kurz vor dem Sturm sich in die Hauptfeuerzone begab, mußten unsere Kompagnien
sich tagelang in den wenigen engen Betonklötzen dem schweren feindlichen
Artilleriefeuer aussetzen. Was das heißt, fortgesetzt Granaten von 21 cm und 24
cm Kaliber um sich herum einschla-gen zu sehen und dabei sich sagen zu müssen,
daß schon die nächste dem schützenden Unterstand den Garaus machen kann, also
hilflos sich und seine Kameraden einem qualvollen Erstickungstod zwischen
Betonklötzen preisgegeben zu wissen, kann nur der fühlen, der solche
entsetzlichen Stunden miterlebt hat. Fast täglich forderte das feind-liche
Artilleriefeuer einen oder mehrere Unterstände; von ihren Besatzungen hat man
nur selten noch Spuren gefunden. Schließlich kam es so weit, daß sich die Leute
lieber schutzlos in Granattrichtern niederließen, als sich den gefährdeten
Unterständen anzu-vertrauen.“
aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser
Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ,
Stuttgart 1922
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708
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