“Der
Lichtbildauftrag der Besatzung Leutnant Hesse und Leutnant Kaubisch ist
erledigt. Wohlverstaut stecken die Kassetten mit belichteten Platten in den
Seitentaschen des Beobachtersitzes Zufrieden klopft Franz* seinem Piloten Hesse
auf die Schulter und winkt Richtung Heimat. In großer Kurve dreht er ab, der
Front entgegen.
Achtung! Von
halbrechts zwei Flugzeuge! Typ und Hoheitskennzeichen sind noch nicht zu
erkennen. Aber sie halten genau auf das deutsche Aufklärungsflugzeug zu. Also
doch Franzosen? Ja, zwei Spads nähern sich in einer Mordsfahrt, wollen dem
Deutschen den Rückwechsel abschneiden.
„Gut, nehmen wir
noch einen Luftkampf auf dem Nachhauseweg an. Mit den beiden Brüdern werden wir
auch noch fertig. Sind oft noch mehr gewesen, mit denen wir uns herumgebalgt
haben.“
Durch das
Motorengeräusch klingt das scharfe leise Pfeifen von MG-Munition. Der eine Spad
hat das Feuer eröffnet. Der Tanz geht los. Kurve und Schießen!
Die beiden Spads
greifen scharf und hartnäckig immer wieder an, gar nicht so “laurig„ wie die
meisten Franzosen sonst. Kaubitsch, der Beobachter, hat alle Hände voll zu tun,
um sich die beiden nur einigermaßen vom Leibe zu halten. In fortgesetzten
kurzen Serien rattert sein MG, mal auf den einen, mal auf den anderen. Trotzdem
schlagen dauernd Treffer in die Rumplermaschine ein.
Ein feines Klirren
von Metall! Ein Treffer, der ein Spannkabel zerschlug. Ist wohl nicht schlimm!
Doch da kommt der Rumpler in der Kurve ins Rutschen. Emil* läßt sie ruhig ein
paar hundert Meter wegtrudeln.
Die beiden Spads
decken den Deutschen zuletzt doch zu stark ein. Scheinen keine heurigen Häschen
zu sein. Ein Stückchen stoßen sie der abtrudelnden Rumpler noch nach. Unten
liegt jetzt gerade unter den kämpfenden Parteien die Front.
Eine deutsche Flak
beeilt sich, dem bedrängten Landsmann mit einer Lage Brisanz-granaten gegen die
beiden Spads beizuspringen. Rätsch – Krach! liegen die dunklen Sprengpunkte den
beiden Franzmännern vor der Nase. Die drehen ab nach Hause und haben genug von
dem Spaß.
Nun wird’s aber
Zeit, die Rumpler aus der Trudelei herauszunehmen. Hesse drückt den
Steuerknüppel herum, tritt das Seitensteuer gerade. Nichts! Die Maschine
richtet sich nicht auf. Kein Druck auf den Steuern! Verflucht, so ist sie nicht
zu kriegen! Ganz ausgesprochen hängt sie nach links. Scharf beobachtet Kaubisch
seinen Emil über die Schulter. Der arbeitet und hantiert herum wie wild. Alles
umsonst.
„Anscheinend
Steuerkabel nach rechts zerschossen!“ schreit Hesse
Kaubisch weiß, was
es geschlagen hat. Absturz so oder so! Sind schon andere Beobach-ter zwischen
die Tragflächen gekrochen und haben durch veränderte Belastung das
Gleichgewicht auf der beschädigten Seite wiederhergestellt.
Keinen Augenblick
zögert Kaubisch.
Die Handschuhe
fliegen in den Beobachtersitz. Der Schal hinterher. Ebenso einer der
Pelzstiefel. Der andere sitzt zu fest. Laß ihn! Hält nur auf. Langsam schiebt
er sich aus seinem Sitz nach vorn, über die obere Rumpfverschalung greifen die
Hände zum Spannturm, krallen sich an.
Der rasende,
schneidend kalte Luftzug. drückt den Körper des Beobachters zurück. Mit
eiserner Muskelkraft zieht er sich weiter vor. Jetzt das rechte Bein zur
unteren Trag-fläche herüber!
Nun klammern sich
die Hände an Spannkabel und Streben zwischen der oberen und unteren Fläche
fest. Kaum atmen kann Kaubisch, als er sich frei zwischen den beiden Flächen
dem vollen Fahrtwind entgegenstemmt.
Und diese scharfe
Kälte! Die nackten Finger verklammen immer mehr. Egal!
Die Zähne
aufeinandergebissen! Es muß sein!
Hesse spürt schon
die Gewichtsverlagerung im Steuer. Die Maschine kommt. Ganz langsam, aber sie
kommt.
Genau beobachtet
er Franzens Bewegungen. Winkt dem Braven dankbar zu. Der nickt nur kurz, muß
seine ganze Kraft zusammenreißen, sich zu halten.
Nein, so geht es
nicht mehr! Das linke Bein muß hier am Spannkabel bei der Strebe Halt bekommen.
Vorsichtig zieht er das Bein heran. Da rutscht der rechte Fuß auf dem
glattlackierten Tragflächenleinen weg. Der Windzug wischt die Beine von der
Trag-fläche herunter. Die ganze Last des Haltens liegt auf den Halberstarrten
Händen. Sie schaffen’s nicht mehr. Die eine läßt los, um überzugreifen an der
Strebe. Griff zu, kann aber nicht mehr zupacken.
Der Fahrtwind
spült den Körper des Braven von der Tragfläche herunter, ehe noch sein Griff
ihm wieder Halt geben kann. Kaubisch stürzt ins Bodenlose.
Kein Schrei!
Lautlos versinkt der todgeweihte schneidige Beobachter.
Hesse hat die
Maschine jetzt gefangen, blickt hinüber zu seinem Franz.
Die Augen weiten
sich ihm. Wo ist Kaubisch? Leer der Platz zwischen den Tragflächen! Eben noch
hockte er zwischen den Spannkabeln.
Ein Blick über den
Bordrand.
Da unten hebt sich
eine abstürzende kleine, schwarze Menschengestalt gegen ein gelbes Stoppelfeld
auf der Erde ab.
Trudelt
unaufhaltbar in die Tiefe.
Verloren!
Rettungslos verloren!
Um Hesse, seinen
„Emil“, hat sich Kaubitsch bewußt geopfert!
Mühsam bringt der
Pilot den zerschossenen Kahn gerade noch über die Front, um ihn mit gewaltigem
Bruch auf hügelig-zerrissenem Gelände hinsetzen zu können. Heil kriecht Hesse
aus den Flugzeugtrümmern hervor, gerettet – durch seinen treuen Franz.
Kameradschaftsopfer!
Irgendwo im Gelände
liegt der zerschmetterte Körper des Leutnants Kaubisch von der Fliegerabteilung
A 282.“
aus: Friedrich
Schilling: „Flieger an allen Fronten“ Berlin, 1936
*Emil: Pilot / Franz: Beobachter
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen