„Wie
die Lage am Feind war und was der Division für eine Aufgabe bevorstand, erfuhr
man erst am Nachmittag des 10. Oktobers durch einen Befehl, aus dem hervorging,
daß die 18. I. D. abzulösen sei, welche am Südrand des Houthulst-Waldes lag, an
den der Gegner im Verlauf eines Angriffs am 9. ziemlich nahe herangekommen war.
Die Division war also wieder einmal als „Hebedivision“ ausersehen und
anscheinend war die Lage auch kritisch, denn das Kampfbataillon des von uns
abzulösenden Füs. R. 86 sollte noch in der kommenden Nacht durch eines des
Grenadierregiments ersetzt werden. Das III. Bataillon war an der Reihe; es nahm
für 2 Tage Verpflegung mit, marschierte ab und betrat beim Schloß Houthulst den
15 qkm großen Forst gleichen Namens, der wochenlang aus dem Tagesbericht nicht
mehr verschwand. Eine Ablösung der vorderen Linie fand aber in dieser Nacht
nicht mehr statt, da die Kompagnien durch den bisherigen K. T. K. angehalten
wurden. Sie kamen in Bereitschaft und lagen im Wald südlich der mitten
hindurchführenden Melaene-Straße, etwas westlich des von Pierkenshoek nach
Veldhoek führenden Waldwegs, der den Namen grüner Weg trug. Einige wenige
Betonunterstände, die man antraf, waren von der Artillerie belegt und es blieb
den Leuten nichts anderes übrig, als sich gruppenweise zusammenzutun, um aus
Brettern, Erde und Ästen wenigstens etwas wärmenden Unterschlupf zu schaffen.
Daß dieser nicht wasserdicht sein konnte, lang auf der Hand, und wie unter
solchen Umständen ein Mensch aussah, der nach 6 Tagen Stellungszeit zurückkam,
braucht man nicht zu erzählen. Besonders unangenehm war, daß bei den grundlosen
Wegen ein Ausweichen in den hochstämmigen Wald unmöglich war, so daß sich auf
wenigen breiigen Straßen zusammengedrängt Nacht für Nacht Ablösungen,
Munitionskolonnen und Feldküchen vor- und rückwärts bewegten. Vielfach
unterbrochen durch volle Granattrichter und umgestürzte Stämme war ein solcher
Weg eine wahre Qual und das vierfache der üblichen Zeit brauchte man, bis man
an Ort und Stelle war.
Die
beste Straße war die mehrere km lange kerzengerade Melaenestraße, die von
Staden nach Merkem führt. Die übrigen Straßen, wie der Wald selbst, waren durch
das wochenlange Feuer, das über sie weggegangen war, schon stark in der
Zerstörung begriffen. Gut erhaltene Partien gab es noch am Nord- und Ostrand,
sonst aber war alles ein wüstes Gewirr zerschmetterter Stämme, herabgerissener
Äste und Zweige geworden. Die Ehrenfriedhöfe, welche von den früher vorwärts
des Waldes gelegenen Stellungstruppen an mehreren Stellen im stillen Walde
angelegt waren, waren keine „Friedhöfe“ mehr und alle Pflege und Liebe, die in
Kreuzen, Inschriften, Zierraten und Denkmalen in Erscheinung traten, konnten
sie vor völliger Verwüstung nicht retten. Auch die innerhalb 6 – 7 km von der
Gefechtsfront entfernt liegenden Ortschaften, wie Staden, Houthulst,
Hoogkwartier waren ganz dem Untergang geweiht und nicht mehr bewohnbar. Seit
der Sommeschlacht 1916 hatte man kaum Bilder gesehen, die so grauenvoll von der
rasenden Kriegsfurie gezeichnet waren, wie hier im Kampfgebiet der
Flandernschlacht. Je näher man dem Feinde kam, umso mehr nahm natürlich das
Bild der Zerstörung zu und die vordere Linie unterschied sich kaum, von der
Trichterstellung bei St. Julien. Nur das Wetter war inzwischen um einige Grad
kälter, der Regen noch ausgiebiger und der Boden noch flüssiger geworden, als
vor 4 Wochen.
Die
erste Kompagnie des Regiments, die in die vordere Linie einrückte, war die 12.,
die am Morgen des 11. Oktobers zur Verstärkung vorgezogen wurde. Der Rest des
Bataillons lag den ganzen Tag über noch an der Melaenestraße, wo es
empfindliche Verluste gab, und löste erst in der kommenden Nacht das
Kampfbataillon ab.“
aus: „Die Ulmer Grenadiere an der
Westfront“, Stuttgart 1920
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