„Am
Nachmittag des 1. Oktober wurde noch eine Kompanie des Infanterie-Regiments 479
beim Füsilier-Regiment 122 als Reserve für unvorhergesehene Fälle zugeteilt und
in der Meininger-Kaserne untergebracht. Auch die Infanterie-Pionier-Kompagnie
wurde bei Einbruch der Dunkelheit in den Abschnitt des I. Bataillons gezogen.
Die
deutschen Mörserbatterien beschossen die Schanze bei Rotpunkt 167 als Vorarbeit
für den Angriff.
Für
alle Fälle wurde noch für ein Bataillon des rückwärts liegenden
Eingriffsregiments (II./235) Angriffsbereitschaft befohlen.
Um
1 Uhr vormittags am 2. Oktober war die Aufstellung aller Angriffstruppen
beendet. Nichts deutete darauf hin, daß der Feind etwas gewittert hatte.
Beiderseits gaben die Artillerien ihr übliches nächtliches Störungsfeuer ab.
Um
3.30 Uhr vormittags setzt planmäßig mit einem Schlag das Vorbereitungsfeuer der
gesamten Artillerie ein.
Vier
Minuten später gehen auf französischer Seite grüne Leuchtkugeln mit Fallschirm
hoch – der Kampflärm vermehrt sich. Feindliches Sperrfeuer setzt ein.
3.40
Uhr vormittags ist eine Beobachtung von rückwärts unmöglich. Die ganze Höhe 344
ist in dicken Rauch und Dunst gehüllt.
In
der Samogneux-Mulde liegt schwaches feindliches Granatfeuer.
Gegen
½ 5 Uhr steigen rote Leuchtzeichen, die eigenes Sperrfeuer anfordern, auf.
Gegenangriffe der Franzosen? Vielleicht.
Um
4.17 Uhr kommt ein Funkspruch vom III./478, „die befohlene Linie ist erreicht“.
Zehn
Minuten später flaut das Artilleriefeuer merklich ab.
Der
Rauch und Lärm läßt etwas nach. Die Infanteriebeobachtung des Regiments erkennt
jetzt, daß vorne aus der eigenen Linie grün-rote Doppelsterne hochgehen. In der
Gegend der Heckenschlucht rasselt starkes Maschinengewehrfeuer. Aus den
durcheinander wirbelnden deutschen und französischen Leuchtzeichen läßt sich
aber kein klares Bild von der Lage gewinnen.
Die
Funkenstation in der Meininger-Kaserne ist durch Feuer beschädigt. Die
Leucht-signale dringen durch den immer dichter werdenden Frühnebel nicht mehr
durch.
Das
französische Artilleriefeuer schwillt wieder merklich an.
Kurz
vor 5 Uhr meldet die noch unversehrte Funkenstation des Infanterie-Regiments
478, daß Gefangene vom 7. Regiment der 131. französischen Division eingebracht
seien.
Dort
scheint also der Angriff gelungen.
5.10
Uhr vormittags wiederum lebhaftes Gewehr- und Maschinengewehrfeuer in der
Heckenschlucht. Gleichzeitig überall rote Leuchtkugeln. Zwei Minuten später
geht dieses Zeichen an der ganzen Front hoch. Das Einsetzen eines großen
französischen Gegenangriffs ist wahrscheinlich. Aber noch ist keine Klarheit
vorhanden.
Kurz
darauf verlangt ein Funkspruch der wieder arbeitenden Station in der Meininger
Kaserne:
„Artillerieabschnitt
Heckenschlucht Feuer vorverlegen, abriegeln. A.-V.-O.*“
Gleichzeitig
steigen aus allen Linien weiße Leuchtkugeln hoch, die nach rückwärts
abgeschossen sind. Allem Anschein nach liegt das eigene Artilleriefeuer zu
kurz. Das ist schlimm.
In
allen Telephonen gehen den Batterien diese Beobachtungen zu.
Fünf
Minuten vor 7 Uhr kommt die erste Meldung vom III./122 durch Funkspruch:
„Lage
unklar. Gefangene des Regiments 47 der 20. Infanterie-Division eingebracht.
Zurückbringen wegen Sperrfeuers unmöglich. III./122.“
Bis
½ 9 Uhr klärt sich das Bild weiter.
Der
feindliche Graben von der Heckenschlucht bis zum Rotpunkt 187 ist scheinbar
noch oder wieder in den Händen der Franzosen. Aufenthalt der 3. Kompanie, die
westlich der Schlucht vorging, ist unbekannt. II./122 liegt an alter Stelle.
Was
war nun beim Angriff tatsächlich vorgegangen, während die Führung in den frühen
Morgenstunden die geschilderten Eindrücke erhielt?
Die
Aufstellung war rechtzeitig beendet gewesen. Alles lag sprungbereit in der
Sturm-stellung.
3.30
Uhr vormittags setzte das eigene Artilleriefeuer ein, das den Sturm vorbereiten
sollte.
Gleich
die ersten Schüsse gingen aber leider – mitten in die Sturmabteilungen hinein
und verursachten nicht unerhebliche Verluste.
Nach
vier Minuten, als das Feuer feindwärts verlegt werden sollte, schlugen noch
immer deutsche Granaten in das Gelände zwischen der Sturmstellung und den
feindlichen Gräben.
Trotzdem
brachen zur festgesetzten Zeit die Sturmtrupps vor. Je näher sie an den
feind-lichen Graben kamen, umso stärker wurde das deutsche Feuer. Denn die eigene Artil-lerie, in der Meinung,
nunmehr hinter der französischen Stellung abzuriegeln, traf jetzt erst richtig
die vordersten Gräben des Feindes. Die Kompanien mußten teilweise an den der
deutschen Seite zugekehrten Trichterrändern Deckung nehmen, da sie nur von
hinten beschossen wurden. Das feindliche Sperrfeuer hatte zwar eingesetzt, lag
aber weit rückwärts auf der längst verlassenen Sturmausgangsstellung.
An
einen einheitlichen Sturm war unter diesen bedauerlichen Verhältnissen um 4.40
Uhr vormittags natürlich nicht mehr zu denken. Die Sturmtrupps und
Infanteriewellen waren zersprengt.
Trotzdem
gelang es der Energie der Kompanieführer, den erreichbaren Teil ihrer Leute in
die noch immer unter deutschem Granatfeuer liegenden französischen Gräben zu
bringen. Um ¾ 5 Uhr vormittags waren sämtliche fünf Kompanieführer der
Angriffs-truppen (Leutnant d. R. Josenhans 3., Leutnant Rudhart 9., Leutnant d.
R. Siegel 10., Leutnant d. R. Schick 11., Leutnant d. R. Späth 12.) persönlich
im französischen Gra-ben.
Die
Mehrzahl der Leute ging begreiflicherweise nicht mehr vor, als das eigene
Granat-feuer auch noch nach 10 Minuten auf der französischen Stellung lag, die
genommen werden sollte.
Die
3. Kompanie und der Stoßtrupp der Sturmabteilung auf dem rechten Flügel an der
Heckenschlucht war gegen die Schanze in zwei Abteilungen vorgegangen und bis
vor das feindliche Drahthindernis gelangt. Die Verzögerung des Vorgehens durch
das deut-sche Feuer hatte dem Feind Zeit gegeben, seine Gräben stark zu
besetzen. Die Stür-menden wurden daher mit Handgranaten und Maschinengewehren
empfangen und mußten auf die Ausgangsstellung zurückweichen. Leutnant d. R.
Schinle war beim Sturm gefallen.
Von
der 11. Kompagnie gelang es 12 Mann mit 2 Maschinengewehren unter Leutnant d.
R. Schick, in den feindlichen Graben bei Rotpunkt 183 einzudringen. Hier fand
Leut-nant d. R. Reutter beim Sturm den Heldentod.
Der
französische Graben war eine gut erhaltene frühere deutsche Stellung. Zwei
Fran-zosen wurden noch aufgegriffen und als Gefangene zurückgeschickt. Die
feindwärts führenden Zugangswege wurden abgedämmt und mit leichten
Maschinengewehren gesichert. Gegen die Heckenschlucht hin, wo mit der 3. Kompanie
keine Verbindung bestand, sicherte ebenfalls ein leichte Maschinengewehr. Kurz
darauf zerstörte jedoch ein Volltreffer der eigenen Artillerie das Gewehr und
tötete den Gewehrführer.
Gegen
5 Uhr vormittags griffen die Franzosen, über das freie Feld kommend, die
Besatzung der 11. Kompanie bei Punkt 183 an. Die eigenen Handgranaten waren
rasch verbraucht. Einige vorgefundene französische taten auch noch gute
Dienste. Dann aber mußte das tapfere Häuflein der Übermacht weichen und sich
auf die Ausgangsstellung zurückziehen.
Von
der 9. Kompanie waren unter Leutnant Ruthart ebenfalls zwei Gruppen auf dem
linken Regimentsflügel bei Rotpunkt 184 in den feindlichen Graben eingedrungen.
Mit den 478ern war Verbindung da, nach rechts fehlte der Anschluß, da der
rechte Flügel der 9. im eigenen Feuer nicht vorkam.
Die
12. Kompanie, die der 11. gefolgt war, lag bis 5 Uhr vormittags vor dem
franzö-sischen Graben, ohne weiter vorkommen zu können, und ging dann ebenfalls
wieder zurück.
Der
Führer der 10. Kompanie, Leutnant d. R. Siegel, konnte mit seinen Stoßtrupps
dem eigenen Artilleriefeuer nach links ausweichen und nordöstlich von Rotpunkt
184 den französischen Graben erreichen. Er fand dort Anschluß an das
Infanterie-Regiment 478, besetzte das Grabenstück nördlich 184 und riegelte
nach Westen ab.
Mit
Teilen der 9. Kompanie zusammen bog Leutnant d. R. Siegel seinen rechten Flügel
nach Norden um und nahm dadurch Front nach westen. Das Grabenstück bei 184
blieb in seiner Hand.
Nach
5 Uhr vormittags war die französische Stellung von 167 bis in die Gegend
westlich 184 wieder in der Hand des Gegners. Bei 184 hielt sich die 10.
Kompanie und im Anschluß nach Osten lag Infanterie-Regiment 478 ebenfalls im
feindlichen graben.
Alle
anderen Kompanien lagen durcheinander gemischt gegen ½ 6 Uhr wieder in der
Sturmausgangsstellung.
Am
Vormittag des 2. Oktober erfolgte gegen das Infanterie-Regiment 478 und die
10./122 ein starker feindlicher Angriff, der mit großer Tapferkeit abgewiesen
wurde.
Nach
Einbruch der Dämmerung wurde mit der vorne liegenden 10. Kompanie die
Verbindung durch eine Postenkette in Trichtern hergestellt.
Das
III. Bataillon und die 3. Kompanie des Füsilier-Regiments 122 waren vor dem
Unternehmen in erhebender Stimmung in den Kampf gezogen und nach
übereinstim-mendem Urteil aller Offiziere tadellos und schneidig zum Sturm
vorgegangen.
Das
französische Feuer war in der ersten Zeit des Angriffs nur schwach und forderte
fast gar keine Verluste.
Auch
die sachlichste Beurteilung konnte der eigenen Artillerie, vor allem der
boden-ständigen schweren, den Vorwurf nicht ersparen, daß sie am Morgen des 2.
Oktober 1917 die alleinige Schuld an dem Mißlingen des Angriffs gegen die
feindlichen Gräben vor der Höhe 344 trug und durch ihr falsch liegendes Feuer
leider viele Verluste der Angriffstruppe herbeigeführt hat.“
aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz
Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1921
*A.-V.-O.:
Artillerie-Verbindungs-Offizier
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