„Offizierstellvertreter
Vizefeldwebel Seitzer führte am 24. Oktober 1917 die erste Patrouille gegen
Italien. Er berichtet:
Nachdem
in der Nacht vom 23./24. Oktober unsere Artillerie das Trommel- und
Vernichtungsfeuer gegen die italienischen Stellungen geschleudert hatten, ging
das Württ. Gebirgs-Bataillon 8 Uhr morgens aus seinen Bereitstellungen gegen
den Isonzo herunter und entlang diesem gegen die feindlichen Stellungen vor.
Bei San Daniel sahen wir die erste Wirkung unseres Blau- und Gelbkreuzgases. Vorwärts
San Daniel erhält Leutnant Triebig, 1. Komp., von Major Sproesser den Befehl,
eine Patrouille zu stellen. Leutnant Triebig bestimmt mich zum Herrn Major zu
gehen und mich dort zu melden. Beim Bataillons-Stab angekommen, erhalte ich von
Herrn Major folgenden Befehl: Sergeant Seitzer, gehen sie mit ihrer Gruppe
gegen den Wald von Foni vor, suchen Sie den in der Karte eingetragenen Weg und
wenn Sie diesen Weg haben, sofort Meldung an die 1. Komp., welche als
Spitzenkompagnie Ihnen folgt. Verbindungsleute stellt 1. Komp.; Aufklärung
gegen das Artillerie-Nest Foni. Jedes Hindernis muß genommen werden! Ich
wiederhole den erhaltenen Befehl und bekomme nun die erste Gruppe des 1. Zuges
mit den Unteroffizieren Klöpfer und Erlenmaier von Leutnant Triebig zugeteilt.
Eine kurze Belehrung meiner Schützen über Lage und Auftrag, dann wird
ausgeschwärmt und gegen den Wald angestiegen. Unteroffizier Erlenmaier und der
Gefreite Hildenbrand mit mir etwa 50 Meter voraus, als bald einer meiner
Schützen am linken Flügel ruft, daß er den Weg vor sich habe. links oben
knattern die Maschinen-gewehre der Italiener und unserer Leiber, während vor uns
tödliche Stille herrscht. Am Waldrand angekommen, sehe ich nochmals zurück: das
Bataillon ist im Marsch. Ausgeschwärmt vorgehen war nunmehr auf dem nur 1 m
breiten Weg unmöglich, zumal das Gelände links oberhalb steil anstieg und
rechts unterhalb ebenso schroff abfiel. Also in Reihen zu Einem Marsch! Voraus
Gefreiter Hildenbrand, dann ich und Unteroffizier Erlenmaier. Der mit viel Krümmungen
versehene Weg steigt immer an. Wir mögen ¾ Stunden angestiegen sein, den
schußfertigen Karabiner in der Faust, Auge und Ohr gespannt als Hildenbrand vor
einer scharfen Linksbiegung mir plötzlich mit der Hand ein Zeichen gibt. Kaum
gewahre ich an der anderen Biegung des Weges ein starkes Drahtverhau, als auch
schon mit einem Schlage mehrere M. G., sowohl von oben als auch von vorne aus
dem Drahtverhau heraus, ihren Segen uns entgegensenden. Unteroffizier
Erlenmaier hinter mir erhält einen Schuß ins Gesicht und zugleich zertrümmert
ihm ein Geschoß sein Fernglas an der Brust. Erlenmaier springt zurück,
Hildenbrand und ich werfen uns an den niederen Hang; wir sind nicht verletzt.
Plötzlich höre ich hinter mir laute Schmerzensrufe und bemerke einen Kameraden
auf dem Gesicht liegen, während unmittelbar hinter ihm ein Gebirgler sich auf
dem Wege wälzt. Wir kriechen zurück und der Kamerad, der auf dem Gesicht lag,
wird von Hildenbrand und von mir aus dem Feuerbereich zurückgezogen; es war der
Schütze Mangold, leider tot, Kopfschuß. Unteroffizier Klöpfer hat den
verwundeten Kameraden ebenfalls aus dem Feuerbereich gezogen. Als Kurz darauf
Offizier-Stellvertreter Huber eintrifft, melde ich dem alten Kämpfer: „Vorne
über dem Weg starkes Drahtverhau, besetzt mit mehreren Maschinengewehren“. Kurz
darauf erhalte ich von Oberleutnant Rommel den Befehl, als vorgeschobener
Posten stehen zu bleiben. Das Feuer vor uns hat aufgehört, dagegen schießt
unsere Artillerie unaufhörlich ihr Vernichtungsfeuer gegen Foni über uns hinweg.
Es war schon gegen Mittag, als einer meiner Schützen meldete, ich solle zum
Herrn Major kommen. Eine kurze Strecke rückwärts und ich stoße anstatt auf die
1. Komp. auf die 4., bei welcher sich der Bataillons-Stab befand. Ich melde
mich und muß die Lage erklären. Ich erhielt nun den Befehl, als Spitze weiter
vorzugehen, den Gegner mit Handgranaten niederzukämpfen, und Foni zu erreichen.
Zu Befehl und kehrt, meine Schützen nochmals genau unterwiesen und nun vor,
vorbei an unserem toten Kamera-den.
Von
dem Punkt an, wo Mangold fiel, ging es im marsch, marsch um die Ecke, in einem
toten Winkel Handgranaten heraus – fertig! Und nun auf 8 Meter hinüber! 3
Schläge und unser Hurra und wir waren über dem Hindernis und im feindlichen
Graben; vor uns 2 Maschinengewehre, aber kein einziger Italiener mehr zu sehen.
Weiter oberhalb erwischten wir einen Sergeanten und einige Bersaglieri. Nun
aber heraus aus dem Graben und vor auf dem Weg nach Foni! Hinter meiner Spitze
unmittelbar folgt der Bataillons-Stab mit der 4. Kompagnie.
Als
gegen 3 Uhr nachmittags sich Nebel niedersenkt, hört der Wald vor uns auf und
wir haben eine nach links steil ansteigende Wiese vor uns. Rechts vom Weg fällt
das Gelände steil ab; der Weg ist mit Blenden versehen. Für einen Augenblick
taucht im Nebel vor uns ein Italiener auf – Karabiner in Anschlag! – aber schon
ist er verschwun-den, wir hören noch einige italienische Kommandos und gleich
darauf beginnt ein Infanterie- und M. G.-Feuer von oben, von vorne und durch
die Blenden herauf von unten. Wir werfen uns platt auf den Weg und müssen so
deckungslos liegen bleiben, der Nebel war unser Glück. Dann kriechen wir
einzeln zurück bis zum Waldrand. Hier treffen wir Leutnant Wahrenberger, der
sofort einen Zug mit M. G. am Waldrand entwickelt. Im heftigen Feuer werden
mehrere Schützen verwundet. Bei Einbruch der Dämmerung ergab sich der Gegner;
Tücher schwenkend sprangen die Italiener an uns vorbei mit dem Ruf: Evviva
Germania! Der Weg zum Artillerienest Foni war frei; noch in der Nacht schlichen
wir hinein, um Zwieback und Vino zu holen. Da die Abteilung Rommel inzwischen
weiter oben im Gefecht stand, meldete ich mich beim Bataillons-Stab ab und
stieg gegen 1114 an. Was wir auf diesem Wege gesehen haben, werde ich in meinem
Leben nicht vergessen. Geschütz an Geschütz aller Kaliber, aber Tote auf jeden
Schritt.“
aus:
„Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933
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