„Über
die Nacht vom 25./26. Oktober 1917 berichtet Oberleutnant Rommel: „2 km südlich
Luico sammelte ich meine Abteilung und trat um 4 Uhr nachmittags den Aufstieg
an. Trotz der beinahe übermenschlichen Anstrengung des Vormittags steigt die
Abteilung in der Reihenfolge 4. Gebirgs-, 1. M. G., 2. Gebirgs-, 3. M. G., 3.
Gebirgs-, 2. M. G., Nachrichten-Kompagnie im Mondschein an steilen Hängen
hinauf, ohne Weg und Steg. Das Geschrei der italienischen Infanterie-Massen in
der Linie Cepletischis – 1096 zeigt den Weg.
8
Uhr abends stieß ich mit den vordersten Patrouillen, die sich wie Indianer im
scharfen Schatten der Büsche lautlos den Hang hinaufschlichen, auf starke
Drahthindernisse. Während der Erkundung hält die Abteilung. Nach einer
Viertelstunde ist festgestellt: Starke feindliche Stellung mit zementierten
Gräben und Unterständen, vorläufig vom Gegner noch nicht besetzt. Feindliche
Infanterie, mindestens 1 Bataillon, lagert dicht westlich der Stellung, 500 m
südlich Südausgang Jevscek, feindliche Posten dicht westlich der Stellung. Ich
befahl: Abteilung lagert in der Mulde dicht östlich der Stellung, 4 Stunden
Rast. Sicherung durch 4. Kompagnie nordwestlich, 2. Kompagnie südwestlich.
Leutnant Aldinger erkundet einen Weg nach Jevscek und den Verlauf der
feindlichen Linie bei Jevscek. Meldung bis spätestens Mitternacht. Der Tag ging
zur Neige, meine Abteilung konnte auf einen herrlichen Erfolg zurückblicken.
Beute: 60 Offiziere, 3500 Gefangene, 15 Geschütze, darunter 2 schwere. Eigene
Verluste: 4 Tote, 15 Verwundete. 10.20 Uhr abends kam Leutnant Aldinger mit der
Meldung: „Jevscek ringsum stark befestigt, zementierte Gräben, hohe und tiefe
Drahthindernisse. Stellung jedoch noch nicht besetzt. Am Hang dicht westlich
Jevscek feindliche Postierungen und Truppenbewegungen unter großem Lärm.“ 11.45
Uhr nachts steigt die Abteilung lautlos gegen Jevsek an. 4. Gebirgs- und 3. M.
G. K. Vorhut. Ohne vom Gegner bemerkt zu werden, rückt die Vorhut durch eine
enge Gasse im Drahthindernis in Jevscek ein und besetzt den Nordteil des Dorfes
halbkreisförmig. Patrouillen klären nach Westen auf gegen die dicht vor uns
stehende feindliche Postenlinie. Nach einer halben Stunde wird auch die 2.
Gebirgs- und 2. M. G. K. ins Dorf hereingezogen. 3. Gebirgs-, 1. M. G.,
Nachrichten-Kompagnie und Tragtierstaffel verbleiben am Steilhang dicht östlich
des Dorfes außerhalb des Drahthindernisses. 1.30 Uhr nachts melden die
Patrouillen: „Südteil des Dorfes vom Gegner frei. Feindliche Stellung verläuft
vom Westteil des Dorfes nach Norden, in der Richtung auf Punkt 1029. Eine
zweite feindliche Linie verläuft von dem scharfen Straßenknie 300 m südlich
1096 nach Südosten; beide sind stark besetzt. Feindliche Infanterie in Reihen
zu Einem marschiert am Südrand des Dorfes vorbei nach Süden.“ Um die
durchziehenden Infanterie-Abteilungen abzufangen, besetzt die 2.
Gebirgs-Kompagnie 2 Uhr nachts die Südhälfte des Dorfes. Bis dahin hatte der
Gegner noch nicht das Geringste von der Anwesenheit der Abteilung bemerkt. 2.30
Uhr früh wurden 3. Gebirgs-, 2. M. G., 4. Gebirgs-, 1. und 3. M. G. K. in die
Süd-hälfte des Dorfes nachgezogen. Die Nachrichten-Kompagnie verblieb zum
Schutze der Tragtierstaffel östlich des Dorfes. Bei dieser Umgruppierung wurde
der Gegner auf uns aufmerksam, er alarmierte und gab rasendes Feuer gegen das
Dorf ab. Von unserer Seite fiel kein Schuß. Die Abteilung hatte keine Verluste.
3 Uhr früh gab ich Leutnant Leuze den Auftrag, mit einer Patrouille der 2.
Kompagnie einen Aufstieg auf die Höhe 300 m westlich des Dorfes zu erkunden.
4 Uhr früh Meldung: „Nullfläche (die Kuppe) kann von Süden her erstiegen werden,
ohne auf den Feind zu stoßen.“ Ich entschloß mich, die Stellung im Morgengrauen
dicht westlich des Dorfes südlich zu umgehen, die Null-fläche zu ersteigen, um
sodann die feindliche Stellung westlich aufzurollen und den Aufstieg auf den
Matajur entlang der Höhenstraße zu erzwingen. 3. Gebirgs- und 3. M. G. K. gehen
3 Uhr vormittags dicht westlich des Dorfes in Stellung, um den Gegner durch
Feuer zu beschäftigen. Kurz vor Tagesanbruch steigt die Abteilung ohne diese
beiden Kompagnien in zwei Kolonnen gegen die Nullfläche auf und erreicht diese
ohne Verluste gerade noch, ehe es richtig hell wird. Ein Aufstieg bei Tag wäre
hier vollkommen unmöglich gewesen, da die dichtbesetzten Stellungen am
Straßenknie den Weg vollkommen beherrschten. 6.45 Uhr vormittags erhalten wir
Feuer von 1096. Nach kurzem, heftigem Feuerkampf mit der Besatzung auf 1096
ergaben sich der 2. und 4. Gebirgs-Kompagnie die italienischen Besatzungen der
Stellung dicht westlich des Dorfes bis 1 km nördlich Jevscek. Während etwa 1500
Gefangene von ein paar Schützen der 4. Kompagnie gesammelt und in Richtung
Luico abgeführt werden, geht die Abteilung mit 2. Kompagnie und 1. M. G. K. in
vorderer Linie gegen die Höhe 1096 vor. Der Gegner versucht von dorther mit
Infanterie- und M. G.-Feuer uns aufzuhalten. Beim Übertreten der Höhenstraße
erbeuten wir 14 Feldgeschütze, 25 Munitionswagen, 6 beladene Lebensmittelwagen.
Den schwer verwundeten Führer der 2. Gebirgs-Kompag-nie, Leutnant Ludwig,
ersetzt Leutnant Aldinger. Eine Viertelstunde darauf wird auch er schwer
verwundet. Es gelingt dem Gegner nicht, uns aufzuhalten. 8.30 Uhr vormittags
wird die Höhe 1192 von der Spitze erreicht. Stärkstes Infanterie- und M.
G.-Feuer von der Höhe 1356 aus – Mrzli Vrh – verwehrt weiteres Vordringen. Auch
südlich entlang der ganzen Höhenstraße ist der Kampf in vollem Gang mit feindlichen
Abteilungen, die nach Süden durchzubrechen versuchen. Durch das rasche Tempo
war die Abteilung sehr auseinandergezogen; nur wenige Schützen, ein leichtes M.
G. und der Abteilungsstab hatten 1192 erreicht. Ich ließ nun den Gegner auf
1356 durch Feuer beschäftigen, während die Abteilung aufschloß. Es dauerte über
1 Stunde. Im Schutze einer M. G.-Feuerstaffel, die von 1192 aus den Gegner
beschäftigte, rückte die Abteilung 10 Uhr vormittags in mehreren Kolonnen dicht
westlich der Straße gegen 1356 vor. Die Besatzung, die sich eingeschlossen
glaubt, ergibt sich nach längerem Verhandeln: 1 Oberstleutnant, 40 Offiziere,
1500 Mann. Ein Offizier, 3 Mann werden mit der Entwaff-nung und dem Abtransport
beauftragt, die übrige Abteilung bleibt im Vormarsch gegen Matajur. Von 1467,
1424 und 1641 bekommt die Abteilung beim Abstieg auf dem Westhang von 1356
starkes Feuer. Trotzdem die Kräfte beinahe zu versagen drohen, pirschen wir uns
auf nahe Entfernung heran; unter unserem M. G.-Feuer, das in den Felsen durch
große Splitterung ausgezeichnete Wirkung hat, weicht der Gegner und versucht
nach Süden in eine Schlucht zu entfliehen, was unser Feuer verhindert. Die
Besatzung der Höhe 1000 m östlich 1641 muß sich ergeben. Erst kommen wenige,
dann das ganze Regiment mit allen Offizieren. der Oberst bricht beinahe
zusammen und weint. Sein Regiment war des Öfteren im Heeresbericht Cadornas
rühmlich erwähnt. Die Abteilung steigt weiter gegen den Gipfel des Matajur auf,
trotz feindlichen Feuers vom Südwestausläufer und vom Gipfel des Matajur. 11.30
Uhr vormittags ergibt sich 500 m nordöstlich des Gipfels eine Kompagnie, die
mit Front nach Karfeit im Rücken von uns überrascht wird. Als unsere M. G. auf
600 m Entfernung vom Gipfel in Stellung gehen, ergeben sich weitere 120 Mann.
11.40 Uhr vormittags hat der Vortrupp der Abteilung den Gipfel erstiegen, bei
mir sind Oberleutnant Schiellein, Leutnant Streicher, Oberarzt Dr. Stemmer,
Schützen der 2. und 3. Gebirgs- und Teile der 1. und 2. M. G. K. Ich ließ drei
grüne und eine weiße Leuchtkugel abschießen. Eine Patrouille des Regiments 23,
bestehend aus 4 Infanteristen, erreichte gleichzeitig mit Schützen der 2.
Gebirgs-Kompagnie den Sattel 150 m östlich des Gipfels; sie stellte die
Behauptung auf, den Matajur genommen zu haben. Alle Gefangenen, die wir
gemacht, hätten sie uns entgegengetrieben. 12.15 Uhr nachmittags erreicht mich
der Befehl des Kommandeurs, nach Masseris zu rücken. Die Beute der Abteilung am
26.10.1917 auf den Südhängen des Matajur: 2 Regimentskommandeure, mehr als 100
Offiziere, 4500 Mann, 14 Geschütze, 25 Munitions- und Lebensmittelwagen, 60
Maschinengewehre. Verluste am 26. Oktober: 1 Mann tot, 2 Offiziere, 2 Mann
schwer, 6 Mann leicht verwundet.““
aus:
„Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933
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