„Während
das Regiment bisher in Reserve war, rückte es jetzt an die Spitze mit dem II.
Bataillon als Vorhut. Der nach einstündiger Rest nunmehr folgende Nachtmarsch
gehört zu den größten Anstrengungen der ganzen italienischen Offensive; es
gießt in Strömen, die Mannschaften sind mit der Zeit am Ende ihrer Kräfte, auf
aufgeweichten, schlechten Wegen schleppen sie sich mit Energie weiter, keiner
will zurückbleiben! Halbwegs zwischen Cividale und Udine stößt die Spitze des
II. Bataillons – bei ihr, wie immer, ihr tapferer Bataillonskommandeur
Hauptmann Schempp mit seinem Stab – plötzlich auf eine feindliche Feldwache, im
Schein brennender Biwakfeuer sieht sie eine Menge herumstehender und ruhender
Italiener. Ohne den Feind zur Besinnung kommen zu lassen, stürzt sie sich,
durch einige Leute verstärkt, mit Hurra und aufgepflanztem Bajonett auf den
Feind. Tödliches Erschrecken ist die Folge; die Wachen setzen sich zur Wehr, im
Handgemenge werden sie überwältigt und mit Erbeutung einer Menge Trage-tiere 300
Gefangene gesammelt.
Westlich
Selvis, etwa 6 – 7 Kilometer östlich Undine, entsteht gegen 2 Uhr morgens ein
überraschendes Feuergefecht; man war auf ernstlichen Widerstand gestoßen. In
breiter Front und mit zahlreichen M.-G. hatte der Feind das Ostufer des Tort Torre
besetzt. Regimentsstab, Brigade- und Divisionsstab liegen mitten im feindlichen
Feuer, so ist bei der großen Nähe am Gegner, der offenbar die Eisenbahnbrücke
in Besitz hatte, jede Bewegungsfreiheit, jede Befehlsgebung äußerst erschwert.
Da außerdem der Truppe die Kraft zu einem Größeren Angriff fehlte, wurde
solcher zunächst verschoben Die Zahl der Gefangenen hatte sich inzwischen stündlich
durch Versprengte vermehrt, sie war auf 850 angewachsen.
Mit
Tagesanbruch machte auf die an Zahl geringe Bewachung eine italienische etwa 50
Mann starke Abteilung einen Befreiungsangriff. Die entstandene Verwirrung
benutze ein großer Teil zur Flucht. Durch rasches, energisches Eingreifen des
dort befehlenden Vizefeldwebels Vollmer der 6. Kompagnie war trotz der äußerst
kritischen Lage – es befand sich nur noch der Regimentsstab zur Stelle – unter
Mitwirkung aller Anwesen-den die Ordnung bald wieder hergestellt; die Gefangenen
wurden beim Durchstreifen der naheliegenden Gehölze wieder beigebracht und
abtransportiert.
Nach
wenigen Stunden Ruhe traten die Bataillone neben dem Gren.-Reg. 119 entfaltet
den Vormarsch zum Angriff auf Udine an; der dortige Bahnhof lag bereits unter
dem Feuer der Artillerie. Vorausgesandte Offizierpatrouillen brachten die
Meldung, daß die Stadt fluchtartig geräumt werde. In beschleunigtem Vorrücken
wird die tote, an vielen Stellen brennende Stadt gegen Abend erreicht. Wenige
Kilometer vor dem Ziel erreicht das Regiment die tieftraurige Kunde von dem
Verlust seines gefallenen kommandieren-den Generals v. Berrer, der, mit seinem
begleitenden Offizier, in bekannter Tapferkeit als einer der Ersten Undine
erreichen wollte und von fliehenden Italienern überfallen, den Heldentod
erlitt. Die hochschlagenden Flammen beleuchten die sonst dunklen Straßen; kein
Einwohner zeigt sich, Tote liegen umher, vereinzelt hört man noch Schüsse in
den Straßen. Der Regimentskommandeur wird zum Ortskommandanten von Udine
bestimmt und hat die Unterbringung der vielen, von allen Seiten nachstürmenden
Truppenteile zu regeln. In dem dem Regiment zugewiesenen Westteil bringen sich
die Kompagnien selbständig straßenweise unter. Sicherungen werden an alle
Ausgänge weit vorgescho-ben. Die Beute, die hier dem Regiment in die Hände fiel,
ist nicht aufzuzählen, sie hat Millionen Werte! Trotz aller riesenhaften
Anstrengungen fand die Mannschaft noch Zeit und Kraft, für sich zu sorgen; sie
hatte es für ihre musterhaften Leistungen auch redlich verdient. Die Kompagnien
schaffen sich bespannte Wagen herbei – es war ja alles zu haben – und beladen
sie für den Weitermarsch reichlich mit Lebensmitteln.“
aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt
Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen