„Die
Feuervorbereitung verläuft planmäßig, aber der Gegner ist auf der Hut. Die
starke Feuertätigkeit der letzten Wochen hat ihn mißtrauisch gemacht. Er
erwartet einen Angriff und ist, wie die Gefangenen aussagen, schon seit drei
Tagen alarmbereit. Noch in der Nacht ist den Posten für Tagesanbruch größte
Aufmerksamkeit eingeschärft worden. So sind die Sprengungen im eigenen
Hindernis gleich nach Einsetzen des Feuers zweifellos als solche erkannt
worden. Schon die Sprengtrupps werden mit Handgranaten beworfen, und noch ehe
die Patrouillen um 7.20 Uhr losbrechen, liegt schon Feuer auf einer
Ausbruchstelle. Der Dinastollen ist durch einen eigenen Kurz-gänger verschüttet.
Die Nahkampfmittel haben im Hindernis nicht genügend gewirkt. Da muß gesprengt
werden. Das gibt Aufenthalt. In der vorderen Linie stehen noch die Posten. Nur
einer ist durch die Vorbereitung außer Gefecht gesetzt. Sie schießen und werfen
Handgranaten. Schon ist es völlig Tag, ein außergewöhnlich schöner und klarer
Tag. Deutlich sieht man hinüber bis zum Molkenrain. Von der Wolke von Staub und
Rauch, die das ganze Angriffsgelände einhüllen sollte, ist nichts zu sehen,
nichts von der Wolkenwand des Riegelfeuers, nichts von dem dichten Nebel auf
dem namenlosen Hang. Das Gefühl, von allen Seiten eingesehen zu sein, verläßt
keinen. Jeder einzelne Mann hebt sich klar und scharf umrissen vom Morgenhimmel
ab. Wohlgezieltes Ma-schinengewehrfeuer kommt vom namenlosen Hang und Molkenrain
herüber. Man kann nur in Gräben und Trichtern vorwärtskommen, und trotz des
Widerstandes der Posten geht es rücksichtslos vorwärts. Unteroffizier Epple ist
als erster im feindlichen Graben, und unbekümmert um die Posten rechts und
links stürmt er vorwärts, bis das tödliche Blei ihn trifft. Im letzten
Augenblick hat Oberleutnant Steimle seine Teilnahme gemel-det, man soll ihn
nicht am Fernsprecher festhalten können, während der beste Teil seiner
Kompagnie im Nahkampf mit dem Feinde steht. Die zurückgehenden Posten des
Feindes halten bis zum Äußersten. Der letzte weicht erst, als die Kameraden gefallen
sind. Die Voraussetzung, auf die das Unternehmen sich aufbaut, daß der Gegner
die erste Linie räumt, ist hinfällig geworden. Warum? Sind andere Grundsätze maßgebend
geworden, verhält sich die aktive Truppe anders, war die Feuervorbereitung zu
kurz? Das ist ganz gleichgültig. Das Ziel muß erreicht werden, und es wurde
erreicht. Aber der Zeitverlust hat dem Gegner ermöglicht, die Widerstandslinie
zu besetzten und Maschinengewehre in Stellung zu bringen. Trotzdem geht es
darüber hinweg. Die Unterstützungstrupps richten sich ein. Sie riegeln die
Gräben ab und sichern die Flan-ken. Der Fernsprechtrupp hält Verbindung mit der
Gefechtsleitung im Aussichtsfelsen, bis seine Drähte nicht mehr zu flicken
sind. Das eigene Riegelfeuer liegt weit ab und ist so schwach, daß es leicht
scheint, es zu durchschreiten. Die feindlichen Minenwerfer im Lager III und
Lager Burlureau feuern bis zum letzten Augenblick, und als der
Minen-werferleutnant Weiß sie mit Handgranaten vertreibt, da zieht der letzte,
der zur Aus-schußöffnung herausspringt, vorher noch die Leine ab. Nun rasch die
Unterstände ausge-räumt. Kaum einer ist zerschossen, auch in den völlig
gangbaren Gräben kaum ein Treffer. Brandröhren fliegen in die Unterstände und
Handgranaten in die Fuchslö-cher, und da kommen sie heraus, dort drei, dort
vier, dort fünf. Aber trotz schwerer Verluste wehrt sich der Gegner
verzweifelt. Im Lager Burlureau kommt es zu erbitterten Nahkämpfen. Angesichts
der Stürmenden feuern drei Minenwerfer, durch rasendes Maschinengewehrfeuer,
durch das nicht durchzukommen ist, gedeckt, weiter. Auch der Einsatz von
Flammenwerfern ist vergeblich. Man muß zurück. Nebelbomben erleichtern den
Rückzug. Steil geht es den Berghang hinauf, während die Kugeln uns um die Köpfe
pfeifen und die Maschinengewehre rattern. Von Granatloch springt man zu
Granatloch, ohne auf die Risse und Schrammen zu achten, die man sich in dem
Stacheldraht holt, mit dem sie ausgefüllt sind. In Fetzen hängen die Kleider
vom Leibe. Im vorderen Hin-dernis liegen die Posten mit dem Panzer auf dem
Rücken. Sie weisen den Weg zurück und schaffen die Verwundeten auf Tragbahren
fort. Der Feind drängt nach. Schon werden rechts und links aufziehende Posten
gemeldet. Schnell laufen die Meldungen im Gefechtsstand ein. Die Störungstrupps flicken die zerschossenen
Leitungen so ruhig im Feuer wie nur je in stillen Zeiten. Nur von der mittleren
Patrouille fehlt noch jede Nachricht. Ein banger Augenblick ist’s im
Gefechtsstand. Die Minenwerfer werden bereitgestellt, und dann harrt man wieder
bange Minuten und Viertelstunden. Endlich sind alle zurück, bis auf 2 Mann vom
Regiment, die drüben gefallen und geblieben sind. Nur Leutnant Lude wird noch
vermißt. Die Patrouillen, die nach ihm suchen, finden nichts von ihm. Man hat
ihn als letzten zurückgehen sehen. Einen Mann vom Sturm-bataillon bringt man tot
zurück. Vom Regiment sind 2 Mann schwer, Oberleutnant Steimle und 9 Mann leicht
verwundet, dazu 3 Mann vom Sturmbataillon XVI schwer und 4 leicht verwundet.
Ein Pionier ist ebenfalls leicht verwundet. Das feindliche Artilleriefeuer, das
anfangs schwach und unsicher war, das zuerst zu weit ging und dann auch Schüsse
in die eigene Linie brachte, ist zu größter Heftigkeit angeschwollen, die Kuppe
allein erhält über 2000 Schuß. Das Gasschießen hat also zweifellos den Erfolg
gehabt, die Sperrfeuerbatterien nach dem Hartmannsweilerkopf auszuschalten, so
daß andere Geschütze eingesetzt und erst eingeschossen werden mußten.“
aus: „Das Württembergische Landwehr-Infanterie-Regiment
Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920
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