„Am
heiligen Abend wehte Westwind. Tagsüber hatte sich die feindliche Artillerie
beson-ders tätig gezeigt. In den Stellungen südlich Givenchy war viel
verdächtiger Verkehr und Arbeitsgeräusch bemerkt worden. Das Regiment hatte für
die Stellungs-bataillone (seit 22. 12. im Nordabschnitt I., seit 15. 12. im
Südabschnitt III.) vorsorglich „höchste Gasbereitschaft“ angeordnet.
Und
richtig, 8 Uhr abends, als die Kompagnien in ihren Unterschlupfen sich an den
aus der Heimat eingegangenen Weihnachtsgrüßen erfreuten, blitzte am
regendunkeln Nachthimmel ein gewaltiger Feuerschein von ungewöhnlicher
Helligkeit auf. Gleich darauf schlugen mehrere hundert wahrscheinlich aus
elektrisch betätigten Werfern abgefeuerte Gasminen, vermischt mit schweren und
mittleren Artillerie-Brisanzgrana-ten, unter entsetzlichem Krachen vor, in und
hinter der ersten Linie der Kampfstellung im Südabschnitt, hauptsächlich bei
der 11. Kompagnie am linken Flügel, ein. In der deutschen Linie gingen überall
Leuchtsignale hoch. Alle Batterien, Minenwerfer und Maschinengewehre gaben
Sperrfeuer und dann Vernichtungsfeuer ab, um den erwarte-ten Vorstoß der
englischen Infanterie rechtzeitig aufzuhalten. Ein solcher erfolgte jedoch
nicht. 11 Uhr abends und am 25. Dezember 1 Uhr früh wiederholten sich die
englischen Feuerüberfälle, bei denen im ganzen wohl 1000 Gasminen über unsere
Stellung nieder-gegangen sein mögen. Das Gas hielt sich in den Gräben der 11.
Kompagnie bis zu 1½ Stunden, bei der rechts davon eingesetzten 12. Kompagnie ¼ –
¾ Stunden je nach der Lage zum Wind und der Tiefe. Stellen, an denen
Volltreffer niedergegangen waren, konnten auch am andern Tage ohne Gasmaske
nicht begangen werden. Das III. Bata-illon hatte außer einigen durch
Sprengstücke verwundeten Leuten 24 Gasvergiftete zu beklagen, von denen 8 teils
sofort, teils wenig später gestorben sind. Vom ersten Weih-nachtsfeiertag an
herrschte wieder „Ruhe“, d. h. die gewöhnliche Kampftätigkeit von beiden
Seiten.“
aus: „Das Württembergische
Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920
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