„Für seine
militärischen Übungen hatte Harpprecht sich zum Grenadierregiment 123 König
Karl nach Ulm versetzen lassen, gleich seinem 1914 gefallenen Freund und
Schwager Ernst Scheibe, und war zum Offizier gewählt und befördert worden. Der
Mobilmachungsbefehl rief ihn sofort nach Ulm, und noch am Sonntag Abend fuhr er
mit den Grenadieren an die Grenze. Am 17. August schickte sein
Regimentskom-mandeur, Oberst v. Erpf, ihn als Führer seines Zuges auf eine
gewaltsame Erkundung in die Umgebung der Feste Longwy. Bei Nacht hatte er im
Lastauto durch die Wälder vorzustoßen, die Belegung der Ortschaften zu erkunden
und Leitungen zu durch-schneiden. Dabei kam er in sein erstes Gefecht, wurde mit
heimtückischem Gewehr-feuer hinter Weizengarben hervor und sogar mit schwerem
Festungsgeschütz beschos-sen. Eine drohende Panik seiner Mannschaften erstickte
er mit äußerster Entschlos-senheit und seit dieser Stunde hatte er seinen Zug
ganz in der Hand. der Erfolg dieses Vorstoßes brachte ihm die Anerkennung durch
Verleihung des Eisernen Kreuzes.
Am 22. August, dem
ersten großen Angriffstag des Württ. Armeekorps in der Schlacht in Lothringen,
wurde Harpprecht durch einen Knochenschuß am Hüftgelenk schwer verwundet. Es
war 10 Uhr morgens, die Sonne war eben durch den Nebel gebrochen. Eine halbe
Stunde blieb er im Gefechtslärm auf freiem Felde liegen und hörte mit
Freudentränen trotz seiner Schmerzen das Hurra der vorwärtsstürmenden Kameraden
und erkannte deutlich im Getöse der Schlacht die ungeheure, durchdringende
Stimme seines Schwagers Ernst Scheibe, der sein „Vorwärts!“, „Zum Sprung auf,
marsch marsch!“ kommandierte. Auf Bauernwägen verladen wurden die Verwundeten
unter-wegs von Franktireurs angegriffen und mußten sich mit gezogenem Degen
gegen die Bande verteidigen.
14 Wochen schwebte
Harpprecht zwischen Tod und Leben, von rasenden Schmerzen gemartert; endlich
siegte Jugend und Lebenskraft. Mit einem etwas verkürzten Bein aus den
Lazaretten in Diedenhofen und Tübingen entlassen, durfte er hoffen, daß ihn das
Leben noch brauchen könne; er wandte sich wieder der Berufsarbeit zu und
heiratete im Mai 1915. Zuerst als Regiments-Adjudant in Ulm, dort zum
Oberleutnant befördert, dann wegen der immer wieder aufbrechenden und
behandlungsbedürftigen Wunde in einen Kriegsgerichtsrat verwandelt und nach
Gmünd versetzt, erlebte er ein stilles, häusliches Glück in der Ehe, aus der
1917 sein Sohn Johann Dieter. Das gesunde, mun-tere Knäblein machte ihm
unendliche Freude. Hatte in den vergangenen 3 Jahren die für ihn schwer
erträgliche körperliche Behinderung, das Ausscheiden aus der Kampffront, die
geringe Aussicht auf Heilung und die ernste Lage des Vaterlandes auf sein Gemüt
je länger, je mehr gedrückt, so lebte er jetzt geradezu auf, sein alter
goldener Humor brach wieder durch; in allem Niedergang und Vergehen lebte ihm
nun ein Pfand auf die Zukunft.
Doch nur kurz
währte dieses Glück. Als zum 11. oder 12. Male ein weiterer Knochen-splitter
durch Operation entfernt worden war, versagten seine durch die jahrelange
Eiterung geschädigten inneren Organe den dienst. Am 3. Februar 1918 mußte er
sein 21 jähriges Weib und sein halbjähriges Kind in der Welt zurücklassen.“
aus:
Gedenkbuch der Tübinger Nicaria für ihre Gefallenen“, Tübingen 1933
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