Samstag, 3. Februar 2018

3. Februar 1918


„Für seine militärischen Übungen hatte Harpprecht sich zum Grenadierregiment 123 König Karl nach Ulm versetzen lassen, gleich seinem 1914 gefallenen Freund und Schwager Ernst Scheibe, und war zum Offizier gewählt und befördert worden. Der Mobilmachungsbefehl rief ihn sofort nach Ulm, und noch am Sonntag Abend fuhr er mit den Grenadieren an die Grenze. Am 17. August schickte sein Regimentskom-mandeur, Oberst v. Erpf, ihn als Führer seines Zuges auf eine gewaltsame Erkundung in die Umgebung der Feste Longwy. Bei Nacht hatte er im Lastauto durch die Wälder vorzustoßen, die Belegung der Ortschaften zu erkunden und Leitungen zu durch-schneiden. Dabei kam er in sein erstes Gefecht, wurde mit heimtückischem Gewehr-feuer hinter Weizengarben hervor und sogar mit schwerem Festungsgeschütz beschos-sen. Eine drohende Panik seiner Mannschaften erstickte er mit äußerster Entschlos-senheit und seit dieser Stunde hatte er seinen Zug ganz in der Hand. der Erfolg dieses Vorstoßes brachte ihm die Anerkennung durch Verleihung des Eisernen Kreuzes.
Am 22. August, dem ersten großen Angriffstag des Württ. Armeekorps in der Schlacht in Lothringen, wurde Harpprecht durch einen Knochenschuß am Hüftgelenk schwer verwundet. Es war 10 Uhr morgens, die Sonne war eben durch den Nebel gebrochen. Eine halbe Stunde blieb er im Gefechtslärm auf freiem Felde liegen und hörte mit Freudentränen trotz seiner Schmerzen das Hurra der vorwärtsstürmenden Kameraden und erkannte deutlich im Getöse der Schlacht die ungeheure, durchdringende Stimme seines Schwagers Ernst Scheibe, der sein „Vorwärts!“, „Zum Sprung auf, marsch marsch!“ kommandierte. Auf Bauernwägen verladen wurden die Verwundeten unter-wegs von Franktireurs angegriffen und mußten sich mit gezogenem Degen gegen die Bande verteidigen.
14 Wochen schwebte Harpprecht zwischen Tod und Leben, von rasenden Schmerzen gemartert; endlich siegte Jugend und Lebenskraft. Mit einem etwas verkürzten Bein aus den Lazaretten in Diedenhofen und Tübingen entlassen, durfte er hoffen, daß ihn das Leben noch brauchen könne; er wandte sich wieder der Berufsarbeit zu und heiratete im Mai 1915. Zuerst als Regiments-Adjudant in Ulm, dort zum Oberleutnant befördert, dann wegen der immer wieder aufbrechenden und behandlungsbedürftigen Wunde in einen Kriegsgerichtsrat verwandelt und nach Gmünd versetzt, erlebte er ein stilles, häusliches Glück in der Ehe, aus der 1917 sein Sohn Johann Dieter. Das gesunde, mun-tere Knäblein machte ihm unendliche Freude. Hatte in den vergangenen 3 Jahren die für ihn schwer erträgliche körperliche Behinderung, das Ausscheiden aus der Kampffront, die geringe Aussicht auf Heilung und die ernste Lage des Vaterlandes auf sein Gemüt je länger, je mehr gedrückt, so lebte er jetzt geradezu auf, sein alter goldener Humor brach wieder durch; in allem Niedergang und Vergehen lebte ihm nun ein Pfand auf die Zukunft.
Doch nur kurz währte dieses Glück. Als zum 11. oder 12. Male ein weiterer Knochen-splitter durch Operation entfernt worden war, versagten seine durch die jahrelange Eiterung geschädigten inneren Organe den dienst. Am 3. Februar 1918 mußte er sein 21 jähriges Weib und sein halbjähriges Kind in der Welt zurücklassen.“

aus: Gedenkbuch der Tübinger Nicaria für ihre Gefallenen“, Tübingen 1933


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