Samstag, 17. März 2018

17. März 1918


„Die verschüchterte Bevölkerung hatte während der Fahrt die deutschen Transporte bisher überall freudig empfangen, überall gerne mit Nachrichten versehen. Es gelang dem II. Bataillon, noch am Abend des 16. März bis Kapustino weiterzufahren. Dort aber meldete die Lokomotivspitze unter Leutnant Müller spät abends, daß die Schienen zwi-schen hier und Adabasch an mehreren Stellen zerstört, die Brücke über den Pomosh-najabach laut Einwohneraussagen gesprengt sei. Die letztere Nachricht erwies sich allerdings als falsch; es waren damals noch nicht einmal die ersten Vorbereitungen für eine Sprengung getroffen. Aber die Möglichkeit, im Eisenbahnzug an den Feind weiter heranzufahren, war jetzt jedenfalls zu Ende. Andererseits schien es dem Batail-lonskommandeur nicht ausgeschlossen, daß die Einwohnernachricht betreffend der Pomoshnajabrücke falsch, daß eine Weiterfahrt Richtung Woshiesensk nach Herstellung der zunächst vorliegenden Schienenzerstörung möglich sei. Major Gutermann wollte nicht durch vorzeitiges Entladen des Bataillons Zeit verlieren. Deshalb wurde noch in der Nacht nur ein Zug der 5. Kompagnie mit zwei M.-G. befehligt, entlang der Bahn vorzugehen. Gleichzeitig veranlaßte man die Schienenherstellung durch ukrainische Bahnarbeiter. Das letztere erforderte aber sehr viel Zeit, da die Leute erst zusammen-gesucht werden und dann an die fraglichen Stellen vorgehen mußten.
Der Zug der 5. Kompagnie unter Leutnant Diez gelangte unterdessen bis zur Pomosh-najabrücke, ohne auf einen Feind zu stoßen. Leutnant Diez selbst blieb mit einer Gruppe und eine M.-G. bei der Brücke, den Rest seines Zuges und das andere M.-G. sandte er nach dem Bahnhof Adabasch zurück.
So wurde es gegen 7 Uhr vormittags des 17. März. Der Gegner hatte mit unserem Kommen jetzt schon, mit einem derartig energischen Vorwärtsdringen über alle Hinder-nisse weg, nicht gerechnet und deshalb nichts für seine Sicherung getan. Erst um 10 Uhr vormittags trat eine Abteilung Bolschewiken, etwa 200 Mann, aus Nowo Ukrainka heraus und ging unter Ausnutzung niedriger, flacher Geländefalten gegen den Bahnhof Adabasch vor.
Leutnant Diez zog sich, um nicht abgeschnitten zu werden, mit seiner Gruppe über Alexandrowka an seinen Zug heran. Der letztere empfing die Bolschewiken mit Feuer; sie kamen in diesem nicht mehr weiter vor. Aber sie schoben sich – immer unter Ausnützung der flachen Mulden – mehr und mehr nach Norden, so daß auch dem Zug das Abgeschnittenwerden drohte. Dies zwang den letzteren, hinter dem Bahndamm gedeckt, ebenfalls nach Norden zu rücken, und zwar bis zu dem Bahnwärterhaus 800 Meter nördlich Adabasch. Hier aber kam Unterstützung in Sicht.
Man hatte hinten beim Bataillon das Feuer gehört; die ganze 5. Kompagnie war ausge-stiegen und vorgegangen. Sie näherte sich dem genannten Bahnwarthaus; das Gefecht kam infolgedessen zum Stehen, die Kompagnie besetzte Haus und Umgebung mit Front nach Osten und Süden. Denn schon zeigte sich ein neuer Gegner, 600 – 800 Mann stark, der von dem Grund des Pomoshnajabaches her zu beiden Seiten der Bahnlinie vorging. Er gelangte bis in Höhe des Bahnhofs Adabasch; dort konnte er wirksam unter deut-sches Feuer genommen werden und blieb liegen.
Der Nachmittag war schon vorgeschritten, die zerstörten Schienen wieder hergestellt, die beiden Eisenbahnzüge der Vorhut, II. Bataillon und 2. Batterie L.-F.-A. 1, fuhren näher heran und luden aus. Die 7. und 8. Kompagnie. die 2. M.-G.-K. und die Batterie entwickelten sich zum Gefecht. Die Batterie beschoß den Bahnhof, da brach die Dunkelheit rasch und plötzlich herein, wie dies dort zulande zu geschehen pflegt. Ein Nachtangriff war bei den recht wenig geklärten Verhältnissen nicht ratsam.
Die 7. und 8. Kompagnie biwakierten deshalb hinter ihren Gefechtsvorposten, die 5. wurde nach Woinowka in Reserve zurückgenommen, die 6. war bei den Eisenbahn-zügen zu deren Bewachung und Schutz geblieben, die M.-G.-K. verteilt.
Um 8 Uhr abends meldete, von Westen her anrückend, eine Haidamakenkompagnie ihr Eintreffen. So wurden die ukrainischen Freiwilligen bezeichnet. Die Kompagnie ging südwestlich des II. Bataillons in Stellung. Sie bestand zum Teil aus Einwohnern der Gegend; Patrouillen aus solchen schlichen sich während der Dunkelheit an den Bahnhof vor und fanden denselben vom Feind geräumt. Die Haidamaken besetzten den Bahnhof noch in der Nacht. Am andern Morgen waren aber die meisten von ihnen wieder davon-gelaufen, angeblich weil sie nicht genügend Munition hätten. Unsere späteren Erfahr-ungen mit Haidamaken berechtigen aber zu der Vermutung, daß sie hier einen ernstli-chen Kampf fürchteten und für einen solchen waren nur die wenigen ehemaligen russi-schen Offiziere unter ihnen zu haben, nicht aber die geworbenen Bürger und Bauern. Es kam auch häufig vor, daß die letzteren wegliefen, sobald sie nur das Handgeld und ihre Bekleidung gefaßt hatten.“



aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

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