Mittwoch, 21. März 2018

21. März 1918


„Grau und nebelig dämmert der „Michaelstag“ herauf. Schon lange vor der festgelegten Stunde steht alles bereit, noch einmal werden Unteroffiziere und Mannschaften instru-iert. Alles wartet gespannt mit der Uhr in der Hand. Eine unheimliche Stille, nur von wenigen feindlichen Schüssen unterbrochen.
Noch hat der Gegner nichts bemerkt, die Überraschung ist geglückt. Wenigstens bei uns. Noch eine Viertelstunde! Noch 5 Minuten! Ein Schluck aus der Flasche, eine letzte Zigarette. Noch 10 Sekunden! Jetzt, auf die Sekunde genau die gelbe Rakete in Sterne zerfallend, das Zeichen auf einer Anhöhe hinter uns.
„Feuer!“ erschallt es vorn und hinten, rechts und links. Dann erstirbt alles in einem ohrenbetäubenden Krachen und Rauschen um und über uns. Viele tausende deutsche Geschütze senden ihre ehernen Grüße an den Feind.
Kommandos dringen nicht mehr durch. Von Geschütz zu Geschütz gehen die Offiziere. Alles läuft wie am Schnürchen. Auf die Sekunde genau ändern die Geschützführer an Hand ihrer Tabellen Seitenrichtung und Entfernung. Wie ein Uhrwerk rollt die Artil-lerievorbereitung ab.
Die Aufgaben der Batterien sind verschieden. Im allgemeinen 2 Stunden schießen auf feindliche Artillerie, hauptsächlich mit Gas, dann 2 Stunden lang Vernichtungsfeuer auf Gräben, dann nochmals je eine halbe Stunde auf Artillerie und Gräben.
Um 9.40 Uhr beginnt die Feuerwalze, der die stürmende Infanterie unmittelbar folgen soll.
Der Gegner hat im allgemeinen wenig geschossen. Nur die 2. Batterie erhielt starkes Feuer und hat schwerste Verluste.
Aber der Nebel verdichtet sich immer mehr, durch unser Schießen und durch feindliche Einschläge bildet sich eine dicke Nebelschicht, teilweise mit Gas, infolge feindlicher Gasgeschosse und getroffener Gasmunition von uns. Zeitweise sieht man kaum 20 Meter weit. Wie soll da die Infanterie stürmen?
Meldungen gehen nur spärlich ein. Die Bahnlinie nördlich Epéhy soll von der 27. Inf.-Division überschritten sein.
Regiment 246 ist in vorderster Linie; 247 und 248 erhalten Befehl zum Nachrücken auf die Sonnenhöhe.“

„„Feuer“ hört man noch, dann schleudern Tausende von Rohren ihre todbringenden Geschosse zum Feind hinüber. Doch schon nach einer halben Stunde schlagen die feindlichen Geschosse in unmittelbarer Nähe unserer Batterie ein und verwunden meh-rere Leute. Eine Stunde später tötet ein Volltreffer die Gesamte Bedienung des 4. Geschützes. Die Batterie tut weiter ihre Pflicht, eingedenk des gestrigen Befehls, daß ohne Rücksicht auf eigene Verluste weitergefeuert werden müsse. Immer noch liegt schweres Feuer auf der Batterie. Die Splitter prasseln auf die Schilde und durchschlagen das Holz der Räder. Die Träger der beleuchteten Festlegepunkte werden immer wieder zusammengeschossen und ebenso oft wieder aufgestellt. Die Batterie bewährt sich auch in dieser furchtbaren Lage aufs beste, und insbesondere der Vizewachtmeister Feucht gibt seinen Kameraden ein hervorragendes Beispiel von Tapferkeit und Ruhe. Bald wird auch das erste Geschütz gebrauchsunfähig und schließlich da dritte Geschütz durch einen Volltreffer zerstört, Leutnant Kuttler verwundet, die Bedienung getötet. Ein Wei-terfeuern war nicht mehr zu verantworten: Leutnant Cantner gibt den Befehl, das Feuer einzustellen. 13 Tote (Sergeant Dobelmann, die Unteroffiziere Brand, Huber, Weizen-egger, die Gefreiten Abele und Scholl, die Kanoniere Häußler, Henßler, Roth, Sailer, Schmidt, Schöllhammer und Steiner) liegen, zum Teil schrecklich zugerichtet, bei den Geschützen, und außerdem hat die Batterie 9 Verwundete zu beklagen. Schwer lastet das Erlebnis auf allen Batterieangehörigen und um so schwerer, als wir alle glauben, der große Angriff sein mißlungen.ׅ“


aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929


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