„Grau
und nebelig dämmert der „Michaelstag“ herauf. Schon lange vor der festgelegten
Stunde steht alles bereit, noch einmal werden Unteroffiziere und Mannschaften
instru-iert. Alles wartet gespannt mit der Uhr in der Hand. Eine unheimliche
Stille, nur von wenigen feindlichen Schüssen unterbrochen.
Noch
hat der Gegner nichts bemerkt, die Überraschung ist geglückt. Wenigstens bei
uns. Noch eine Viertelstunde! Noch 5 Minuten! Ein Schluck aus der Flasche, eine
letzte Zigarette. Noch 10 Sekunden! Jetzt, auf die Sekunde genau die gelbe
Rakete in Sterne zerfallend, das Zeichen auf einer Anhöhe hinter uns.
„Feuer!“
erschallt es vorn und hinten, rechts und links. Dann erstirbt alles in einem
ohrenbetäubenden Krachen und Rauschen um und über uns. Viele tausende deutsche
Geschütze senden ihre ehernen Grüße an den Feind.
Kommandos
dringen nicht mehr durch. Von Geschütz zu Geschütz gehen die Offiziere. Alles
läuft wie am Schnürchen. Auf die Sekunde genau ändern die Geschützführer an Hand
ihrer Tabellen Seitenrichtung und Entfernung. Wie ein Uhrwerk rollt die
Artil-lerievorbereitung ab.
Die
Aufgaben der Batterien sind verschieden. Im allgemeinen 2 Stunden schießen auf
feindliche Artillerie, hauptsächlich mit Gas, dann 2 Stunden lang
Vernichtungsfeuer auf Gräben, dann nochmals je eine halbe Stunde auf Artillerie
und Gräben.
Um
9.40 Uhr beginnt die Feuerwalze, der die stürmende Infanterie unmittelbar
folgen soll.
Der
Gegner hat im allgemeinen wenig geschossen. Nur die 2. Batterie erhielt starkes
Feuer und hat schwerste Verluste.
Aber
der Nebel verdichtet sich immer mehr, durch unser Schießen und durch feindliche
Einschläge bildet sich eine dicke Nebelschicht, teilweise mit Gas, infolge
feindlicher Gasgeschosse und getroffener Gasmunition von uns. Zeitweise sieht
man kaum 20 Meter weit. Wie soll da die Infanterie stürmen?
Meldungen
gehen nur spärlich ein. Die Bahnlinie nördlich Epéhy soll von der 27.
Inf.-Division überschritten sein.
Regiment
246 ist in vorderster Linie; 247 und 248 erhalten Befehl zum Nachrücken auf die
Sonnenhöhe.“
„„Feuer“
hört man noch, dann schleudern Tausende von Rohren ihre todbringenden Geschosse
zum Feind hinüber. Doch schon nach einer halben Stunde schlagen die feindlichen
Geschosse in unmittelbarer Nähe unserer Batterie ein und verwunden meh-rere
Leute. Eine Stunde später tötet ein Volltreffer die Gesamte Bedienung des 4.
Geschützes. Die Batterie tut weiter ihre Pflicht, eingedenk des gestrigen
Befehls, daß ohne Rücksicht auf eigene Verluste weitergefeuert werden müsse.
Immer noch liegt schweres Feuer auf der Batterie. Die Splitter prasseln auf die
Schilde und durchschlagen das Holz der Räder. Die Träger der beleuchteten
Festlegepunkte werden immer wieder zusammengeschossen und ebenso oft wieder
aufgestellt. Die Batterie bewährt sich auch in dieser furchtbaren Lage aufs
beste, und insbesondere der Vizewachtmeister Feucht gibt seinen Kameraden ein
hervorragendes Beispiel von Tapferkeit und Ruhe. Bald wird auch das erste
Geschütz gebrauchsunfähig und schließlich da dritte Geschütz durch einen
Volltreffer zerstört, Leutnant Kuttler verwundet, die Bedienung getötet. Ein
Wei-terfeuern war nicht mehr zu verantworten: Leutnant Cantner gibt den Befehl,
das Feuer einzustellen. 13 Tote (Sergeant Dobelmann, die Unteroffiziere Brand,
Huber, Weizen-egger, die Gefreiten Abele und Scholl, die Kanoniere Häußler,
Henßler, Roth, Sailer, Schmidt, Schöllhammer und Steiner) liegen, zum Teil
schrecklich zugerichtet, bei den Geschützen, und außerdem hat die Batterie 9
Verwundete zu beklagen. Schwer lastet das Erlebnis auf allen
Batterieangehörigen und um so schwerer, als wir alle glauben, der große Angriff
sein mißlungen.ׅ“
aus: „Das
Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“,
Stuttgart 1929
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen