„Am
21. März begann der große Kampf. 4.40 Uhr vormittags setzte die bis ins
kleinste geregelte Artillerievorbereitung ein, zuerst bis 7 Uhr vormittags mit
Gas auf die feind-liche Artillerie, dann mit Granaten auf die Vaucelette-Ferme
und die anschließenden Gräben. 8.40 Uhr vormittags mit den letzten
einschlagenden Granaten erfolgte der Ein-bruch des Gren.-Regts. 123 Als Regiment
2. Linie sollte Inf.-Regt. 124 mit Fortschrei-ten des Angriffs des Sturmregiments,
rechts desselben vorstoßen, den Flankenschutz übernehmen und später den
Dessart-Wald nehmen. Für diese Aufgaben waren III. und II. Bataillon
vorgesehen, I. war vorerst Regimentsreserve. Es kam aber ganz anders. Schon
während unserer Artillerievorbereitung war allgemein die starke
artilleristische Gegenwirkung der Engländer aufgefallen. Man hatte angenommen,
daß sich der Gegner bei dem starken Einsatz eigener Artillerie nicht sehr
fühlbar machen würde und die lange Beschießung mit Gas die feindliche Artillerie
lahmlegen würde. Aber der Gegner wehrte sich auf das heftigste, auf unsere
Gasbeschießung antwortete er ebenfalls mit Gas, außerdem trieb der starke
Westwind unser Gas teilweise zurück. Die Sturmtruppen und die rückwärtigen
Staffeln mußten bis 10 Uhr vormittags die Gasmasken tragen. Dies erschwerte
ungeheuer alle Bewegungen und hielt sie lange auf. Weiter kam dazu, daß
frühmorgens ein undurchdringlicher Nebel herrschte. Das Zurechtfinden war
schwierig und vor allem war es der Artillerie unmöglich geworden, das
Vorbereitungs-schießen auf die Gräben mit Beobachtung durchzuführen. So war sie
auch hierbei nur auf ihre Vermessungen angewiesen, dies schwächte fraglos den
vollen Erfolg erheblich ab. Die Folge all dieser Umstände war, daß das
Sturmregiment infolge hartnäckigen Widerstandes sehr schwer vorwärts kam und
von einem Nehmen der Stellungen bis zur Revelon-Ferme in einem Zuge keine Rede
sein konnte. Über den Bahndamm, westlich der Vaucelette-Ferme, kam vorerst
niemand, Bahndamm und das Gelände davor lagen unter wirkungsvollstem
M.-G.-Feuer von allen Seiten, besonders von der Revelon-Ferme her. Dieser Hof
lag auf einer kleinen Anhöhe, diese fiel glacisartig ab, umso höher die Wirkung
der dort eingesetzten M.-G. Auch das Folgen des Inf.-Regts. 124 gestaltete sich
dementsprechend völlig anders.
Nachdem
8.40 Uhr vormittags 123 zum Sturm angetreten war, erreichte das zunächst
angesetzte III. Bataillon den Weg bei den Punkten g – v (s. Skizze Nr. 22) und
10.15 Uhr vormittags die Fabrik südlich Villers-Guislain, hier baute sich das
Bataillon zum Vorstoß rechts an Revelon-Ferme vorbei auf. Vorn 9. und 11.
Kompagnie, dahinter rechts gestaffelt 10. Hinter der Mitte 12. und 3. M.-G.-K.
Bei diesem Vormarsch und auch später zeichnete sich als Meldegänger der Gefreite
Graf, 12./124, von Wildenstein, besonders aus. Unermüdlich war er tätig,
zwischen dem erkundenden Bataillonsstab und den Kompagnien die Verbindung
aufrecht zu erhalten und letzteren die besten Wege zu zeigen. 10.45 Uhr
vormittags trat das III./124 den Weitermarsch rechts an der Ferme vorbei an und
erreichte nach Überschreiten einer Mulde, die von rechts her stark unter
flankierendem Feuer lag, die Stellungen westlich Vaucelette-Ferme. Von hier
weiter westlich vorzukommen, schloß die feindliche Feuerwirkung vorerst aus.
Das
II./124 war dem rechten Grenadierflügel gefolgt und hatte mit 5. und 8.
Kompagnie ebenfalls den Bahndamm erreicht, 6. und 7. Kompagnie waren im Nebel
abgekommen und hatten sich Kompagnien von Inf.-Regt. 232 angeschlossen, das die
Stellungen nordwestlich der Ferme bis zur Straße Revelon Ferme – Gouceaucourt
aufrollen sollte, aber auch bald bei der heftigen feindlichen Gegenwirkung
festsaß. Durch die abgekom-menen Kompagnien hatte das Bataillon wenigstens
Verbindung nach vorn.
I.
Bataillon war von seinem Platz südlich Villers-Guislain näher an die vorderen
Teile herangerückt, hatte aber, obwohl am weitesten zurück, sehr unter
Artilleriefeuer zu lei-den. Die eigene Artillerie war nachgerückt und stand in
der Nähe. Sie zog heftige feind-liche Gegenwirkung besonders mit schweren
Kalibern auf sich, hiervon wurde auch das Bataillon mitbetroffen.
Links
tobte um Epehy ein hin- und herwogender Kampf der 183. Inf.-Div. Bald war der
Ort von ihr genommen, bald hatten ihn wieder die Engländer besetzt. Die englische
Zähigkeit, mit der alle Stellungen verteidigt wurden, muß anerkannt werden.
Am
Spätnachmittag gewann das Gren.-Regt. langsam gegen Revelon-Ferme Boden,
II./124 folgte und befand sich auf gleicher Höhe rechts daneben. Aus der Ferme
stieß der Gegner mehrmals durch Tanks unterstützt vor, er wurde jedesmal
abgewiesen, brachte aber aus Heudicourt und Fins ununterbrochen Verstärkungen
auf Sanitätskraft-wagen vor. Obwohl die Ausladestelle dauernd unter Feuer
genommen wurde, kamen doch unaufhörlich Verstärkungen heran. Die Lage am 1.
Angriffstag abends war wenig günstig. Das Gren.-Regt. lag mit seiner
ungeschützten linken Flanke nicht gut, ebenso erging es II./124, in dessen
Flanke zwei starke englische Stellungen ungenommen geblieben waren. Der Erfolg
dieses Tages war weit hinter allen Erwartungen zurückge-blieben. Dem hindernden
Nebel des Vormittags folgte nachmittags und nachts noch Regen, dem die Truppe
schutzlos preisgegeben war. Die Verpflegung erfolgte kalt von den mitgenommenen
eisernen Portionen.
Obwohl
das Regiment beim eigentlichen Angriff nur mit schwachen Teilen beteiligt
gewesen war, hatte es doch bedeutende Verluste, aus denen der englische
Widerstand, besonders mit Artillerie, zu ersehen ist. 49 Tote, 240 Verwundete
und 121 Gaskranke waren ausgefallen, unter den Verwundeten 14 Offiziere, Oberleutnant
Höltje, Leutnants d. R. Bickel, Wintermantel, Gehweiler, Ochs, Etti, Glöckle,
Herzog, Moser, Gindele, die Leutnants Fuß, Walter, Bauer und Oberarzt Dr. Haag.
In
der Nacht vom 21./22. wurde folgende Absicht für den nächsten Tag bekannt
gege-ben: 183. Inf.-Div. sollte Epehy vollends nehmen, 27. Inf.-Div. durch das
Gren.-Regt. bis zur Linie Revelon-Ferme – Bahnhof Heudicourt vordrücken, um die
Flanke der 183. Inf.-Div. zu sichern. Inf.-Regt. 124 hatte die beiden
englischen Hauptstellungen nord-westlich Vaucelette-Ferme zu nehmen, um
seinerseits das Gren.-Regt. zu decken.
Das
III./124 erhielt den Befehl, unter Zuteilung der Sturmabteilung der Division
und der 2. und 3./124 diesen Angriff auszuführen. 12 Uhr mittags waren beide
Stellungen genommen, 16 Engländer gefangen und 2 Geschütze erbeutet. Während
sich bei der Abwehr von Vorstößen aus der Revelon-Ferme ein Zug M.-G. unter
Vizefeldwebel Staib, 1. M.-G.-K., von Boll, besonders auszeichnete und entscheidend
eingriff, tat sich beim Angriff des III. Bataillons der Gefreite Rieder,
9./124, hervor. Als Kompagnie-meldegänger hatte er sowohl die Angriffsbefehle
überbracht, als auch später die Mel-dungen vom Stand des Angriffs ungeachtet
aller Schwierigkeiten zurückgebracht.
Am
Vormittag noch wurde durch einen aufgefangenen Funkspruch die Absicht des
Gegners bekannt, den Cambraibogen zu räumen. Hierdurch gewann der Vorstoß der
Di-vision nach Westen erhöhte Bedeutung, wenn es glücken sollte, den weichenden
Feind abzuschneiden.
1
Uhr nachmittags bauten sich II. und III. Bataillon zum Nehmen der Revelon-Ferme
auf, beim III. 2. und 3./124. 2 Uhr nachmittags begann der Angriff. II./124,
als die frischere Truppe, griff auf dem rechten Flügel, teils frontal über
freies Gelände, teils durch Aufrollen der noch nicht genommenen Gräben an,
links anschließend kam III. Ein M.-G.-Zug unter Vizefeldwebel Striebel, 2.
M.-G.-K., hatte besonders gute Wirkung, indem er 3 englische M.-G. in der Ferme
außer Gefecht setzte und dem III. Bataillon das Vorkommen erheblich
erleichterte. Bei der 5./124 zeichnete sich der Unteroffizier Schranz von
Waldsee, wie schon oft vorher, trotz seines jugendlichen Alters von 19 Jahren
als kaltblütiger Draufgänger hervorragend aus. Artillerie und Minenwerfer
unter-stützten den Angriff auf das Beste. 4 Uhr nachmittags stürmte 2./124 das
Wäldchen östlich Revelon-Ferme, eine halbe Stunde später wurde die Ferme selbst
von beiden Bataillonen genommen. Nachdem 5 Uhr nachmittags die Straße Revelon
Ferme – Gouceaucourt erreicht war, wurde 6.15 Uhr nachmittags der Vormarsch
auf Fins ange-treten. Dort trafen ohne nennenswerten Widerstand zu finden, III.
Bataillon 8.15 Uhr abends, II. 11 Uhr abends ein. I./124 folgte in 2. Linie und
biwakierte östlich des Ortes. 1. und 2./124 stellten an Straße Fins –
Gouceaucourt. Vorposten aus, da der Dessart-Wald besetzt gemeldet war.
9
Uhr abends hatte III. Bataillon durch Artillerievolltreffer am Ostausgang von
Fins Verluste. War an diesem Tag die Stimmung durch die Erfolge gehoben, so
wurde sie doch durch die Verluste gedrückt. Das Regiment verlor 75 Tote,
darunter Hauptmann d. R. Bauer, der beim Einsatz der Sturmabteilung
heldenmütig, wie stets, da kämpfte, wo es am heißesten herging. Diesmal ereilte
ihn das Geschick, nachdem er von seiner schweren Verwundung bei Bullecourt kaum
geheilt war. Leutnant Werner, Leutnant d. R. King und Ilzhöfer. 261 Verwundete
mußten zurückgeschafft werden, dabei Haupt-mann Schaidler, Leutnant Bumiller,
Rist, Botsch, Leutnant d. R. Liebendörfer, Herzog, Sorger, Kurz und
Offizierstellvertreter Nugel. Auf dem Verbandplatz tat der San.-Ser-geant d. R.
Storrer, 9./124, von Ertingen, in hervorragender Weise seine Pflicht und zeigte
große Kaltblütigkeit, als der Verbandplatz von englischen Fliegern angegriffen
wurde.ׅ“
aus:
„Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg
1914–1918ׅ, Stuttgart 1921
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen