Mittwoch, 11. April 2018

11. April 1918


„Wie am 9. April überholte das feindliche Feuer, diesmal aus langen Marinekanonen (etwa 12 Zentimeter Kaliber) abgegeben, die Ulanenmeldung. Als letztere eintraf, berichtete sie von ziemlich starker Artillerie, die teils von Eisenbahnplattformwagen aus schieße, teils Geschütze ausgeladen und bespannt habe. Feindliche Kavalleriepatrouillen hätten die Erkundung sehr erschwert.
Daß die feindliche Artillerie diesmal recht stark war, merkten wir an den einschlagenden Granaten. Häuser in Sinielnikowo brachen in ihrem Feuer zusammen, mächtige Trichter entstanden in dem weichen Straßensand, Einwohner wurden verwundet und getötet. Einer der ersten Schüsse zerstörte Beobachtungsstelle und Telephonleitung auf dem Wasserturm derart, daß die Wiederinstandsetzung Stunden erfordert hätte. Der Regi-mentsstab ging daher auf den Dachboden seines Quartiers, das die andern Häuser hoch überragte. Ordonnanzen und dergleichen waren da ohnehin im Haus, die Telephon-leitung aus dem Geschäftszimmer herauf schnell eingerichtet, nur in das Dach mußte nach Osten hinaus, wo kein Fenster vorhanden war, ein Loch gebrochen werden. Aber auch vor diesem Haus, dem Bankgebäude von Sinielnikowo, schlug eine Granate ein, der Balkon stürzte herab und die Freitreppe war beschädigt.
Dem Hauptmann Wiedemann gab Fromm für das III. Bataillon und die zwei Batterien die gleiche Weisung, wie am 9. April.
Über Stab und das Bataillon L. 121 übernahm Fromm als dienstältester Anwesender den Befehl und entsandte zwei Kompagnien, eine halbe M.-G.-K. und die Batterie Reibel, um einen Aufmarsch von Paldory her aufzuhalten. Der Rest des Bataillons sollte am Westbahnhof zur Verfügung bleiben.
Schon in aller Frühe hatte dieses Bataillon alles zum Gefecht Nötige ausgeladen. Für das III./L. 126 entwickelte sich ein Gefecht, genau nach demselben Rezept wie am 9. April.
Daß die Bolschewiki an letzterem Tag nicht den vorderen Höhenrand mit starker Infan-terie und einigen Artilleriebeobachtern besetzt hatten, war ein Fehler, und Zar ein so grober, daß seine Wiederholung am 11. April durch eine halbwegs sachverständige Führung ausgeschlossen erscheint. Zu dieser Einsicht brauchten sie keinen General an der Spitze, ein tüchtiger Unteroffizier genügte. Wahrscheinlich aber lag die Sache am 11. April gar nicht an der Führung, sondern die Mannschaft war nicht dafür zu haben, daß sie eine Stellung besetzen sollte, in welcher man mit einigen Verlusten rechnen mußte. Denn ganz ohne solche konnte eine Abwehr eines deutschen Angriffs nicht abgehen. Hätten sich aber ein paar hundert Bolschewiki während der Nacht da oben gut eingegraben, und die ganze Höhe mit viel Scheinstellungen versehen, um unser Feuer zur Verteilung zu zwingen, hätten gleichzeitig die Bolschewiki von Paldory her ange-griffen, es wäre angesichts der überlegenen feindlichen Artillerie ein böses Ding für uns geworden.
Aber kämpfen und fechten war der Bolschewiki Sache nicht, sie wollten plündern und rauben, sie wollten mit dabei stehen, wenn man die Deutschen aus sicherer Ferne zu-sammenknallte. Der Mangel an Kampflust, die Scheu vor Verlusten rächte sich aber diesmal bitter.
Ziemlich früh kam am 11. April die Kavalleriemeldung, daß der Gegner bei Paldory zwar fortfahre zu plündern, aber zum Vormarsch keinerlei Anstalten treffe. Die Ulanen-pferde waren jetzt ausgeruht, man konnte von ihnen Leistungen verlangen, und das nicht nur beim Überbringen von Meldungen. Drei Züge Ulanen wurden dem Hauptmann Wiedemann alsbald unterstellt, ebenso eine halbe M.-G.-K. des L. 121. Die Gruppe Wiedemann erreichte wieder mit Infanterie und Artillerie den Höhenrand, mit der 9. und 12. Kompagnie links, der 5. und 12. rechts der Bahnlinie. Die 3. M.-G.-K. war auf die ganze Front verteilt, die halbe M.-G.-K. des L. 121 wirkte am rechten Flügel mit. Nur ein einziger schwacher Zug der Bolschewiki wehrte sich energisch, aber vergebens. Wiedemann erfuhr rechtzeitig, daß von Osten her keine Gefahr drohe und setzte mit allem, was er hatte, zu kräftiger Verfolgung ein.
Um den Rückzug der Bolschewiki zu decken, fuhr ihrerseits ein Panzerzug vor. Als ihm aber deutsche Granaten entgegenschlugen, da stoppte er schleunigst ab und dampfte rückwärts. In gehöriger Entfernung von uns hielt er dann mehrmals und sprengte hinter sich die Schienen. Doch wurden dieselben von uns noch an demselben Tag wieder her-gestellt.
Bei den Bolschewiki fehlte entweder überhaupt eine Führung, oder gehorchte man deren Befehlen nicht. Die Mannschaft tat das Widersinnigste, was sie tun konnte und ballte sich beim Zurückfluten nach den Eisenbahnzügen in dichte Klumpen zusammen. Gegen diese Klumpen kam die verfolgende deutsche Artillerie und M.-G. zum Feuer.
Unter Kavalleriebedeckung waren sie vorgetrabt, ihr Erfolg war entsprechend. Alles stob bei den Bolschewiki auseinander, die Eisenbahnzüge dampften ab, ehe sie auch nur die Hälfte ihrer Insassen wieder hatten; überall begann eine wilde Flucht. Hinterher jagten die Deutschen, von Höhe zu Höhe ging es vor, um mit Feuer immer wieder ein-zusetzen. Bis über Malcewo hinaus gelangte die Gruppe Wiedemann; allein an Toten ließ der Gegner über 200 Mann liegen.
Unsere eigenen Verluste waren bei alledem kaum so groß, wie am 9. April; sie dürften an beiden Tagen zusammen 12 Verwundete bettragen haben. Genaue Zahlen beizubrin-gen ist unmöglich dank der Aktenvernichtung beim Ersatzbataillon L. 119 unter der Soldatenratsherrschaft
Nachmittags meldete die Kavallerie, daß auch der Gegner bei Paldory seine Züge wie-der belade und nach Osten abfahre. So war es für ihn auch bedeutend sicherer, als bei einem Angriff gegen die Deutschen.“


aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

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