„Wie
am 9. April überholte das feindliche Feuer, diesmal aus langen Marinekanonen
(etwa 12 Zentimeter Kaliber) abgegeben, die Ulanenmeldung. Als letztere
eintraf, berichtete sie von ziemlich starker Artillerie, die teils von
Eisenbahnplattformwagen aus schieße, teils Geschütze ausgeladen und bespannt
habe. Feindliche Kavalleriepatrouillen hätten die Erkundung sehr erschwert.
Daß
die feindliche Artillerie diesmal recht stark war, merkten wir an den einschlagenden
Granaten. Häuser in Sinielnikowo brachen in ihrem Feuer zusammen, mächtige
Trichter entstanden in dem weichen Straßensand, Einwohner wurden verwundet und
getötet. Einer der ersten Schüsse zerstörte Beobachtungsstelle und
Telephonleitung auf dem Wasserturm derart, daß die Wiederinstandsetzung Stunden
erfordert hätte. Der Regi-mentsstab ging daher auf den Dachboden seines
Quartiers, das die andern Häuser hoch überragte. Ordonnanzen und dergleichen
waren da ohnehin im Haus, die Telephon-leitung aus dem Geschäftszimmer herauf
schnell eingerichtet, nur in das Dach mußte nach Osten hinaus, wo kein Fenster
vorhanden war, ein Loch gebrochen werden. Aber auch vor diesem Haus, dem
Bankgebäude von Sinielnikowo, schlug eine Granate ein, der Balkon stürzte herab
und die Freitreppe war beschädigt.
Dem
Hauptmann Wiedemann gab Fromm für das III. Bataillon und die zwei Batterien die
gleiche Weisung, wie am 9. April.
Über
Stab und das Bataillon L. 121 übernahm Fromm als dienstältester Anwesender den
Befehl und entsandte zwei Kompagnien, eine halbe M.-G.-K. und die Batterie
Reibel, um einen Aufmarsch von Paldory her aufzuhalten. Der Rest des Bataillons
sollte am Westbahnhof zur Verfügung bleiben.
Schon
in aller Frühe hatte dieses Bataillon alles zum Gefecht Nötige ausgeladen. Für
das III./L. 126 entwickelte sich ein Gefecht, genau nach demselben Rezept wie
am 9. April.
Daß
die Bolschewiki an letzterem Tag nicht den vorderen Höhenrand mit starker Infan-terie
und einigen Artilleriebeobachtern besetzt hatten, war ein Fehler, und Zar ein
so grober, daß seine Wiederholung am 11. April durch eine halbwegs
sachverständige Führung ausgeschlossen erscheint. Zu dieser Einsicht brauchten
sie keinen General an der Spitze, ein tüchtiger Unteroffizier genügte.
Wahrscheinlich aber lag die Sache am 11. April gar nicht an der Führung,
sondern die Mannschaft war nicht dafür zu haben, daß sie eine Stellung besetzen
sollte, in welcher man mit einigen Verlusten rechnen mußte. Denn ganz ohne
solche konnte eine Abwehr eines deutschen Angriffs nicht abgehen. Hätten sich
aber ein paar hundert Bolschewiki während der Nacht da oben gut eingegraben,
und die ganze Höhe mit viel Scheinstellungen versehen, um unser Feuer zur Verteilung
zu zwingen, hätten gleichzeitig die Bolschewiki von Paldory her ange-griffen, es
wäre angesichts der überlegenen feindlichen Artillerie ein böses Ding für uns
geworden.
Aber
kämpfen und fechten war der Bolschewiki Sache nicht, sie wollten plündern und
rauben, sie wollten mit dabei stehen, wenn man die Deutschen aus sicherer Ferne
zu-sammenknallte. Der Mangel an Kampflust, die Scheu vor Verlusten rächte sich
aber diesmal bitter.
Ziemlich
früh kam am 11. April die Kavalleriemeldung, daß der Gegner bei Paldory zwar
fortfahre zu plündern, aber zum Vormarsch keinerlei Anstalten treffe. Die
Ulanen-pferde waren jetzt ausgeruht, man konnte von ihnen Leistungen verlangen,
und das nicht nur beim Überbringen von Meldungen. Drei Züge Ulanen wurden dem
Hauptmann Wiedemann alsbald unterstellt, ebenso eine halbe M.-G.-K. des L. 121.
Die Gruppe Wiedemann erreichte wieder mit Infanterie und Artillerie den
Höhenrand, mit der 9. und 12. Kompagnie links, der 5. und 12. rechts der
Bahnlinie. Die 3. M.-G.-K. war auf die ganze Front verteilt, die halbe M.-G.-K.
des L. 121 wirkte am rechten Flügel mit. Nur ein einziger schwacher Zug der
Bolschewiki wehrte sich energisch, aber vergebens. Wiedemann erfuhr
rechtzeitig, daß von Osten her keine Gefahr drohe und setzte mit allem, was er
hatte, zu kräftiger Verfolgung ein.
Um
den Rückzug der Bolschewiki zu decken, fuhr ihrerseits ein Panzerzug vor. Als
ihm aber deutsche Granaten entgegenschlugen, da stoppte er schleunigst ab und
dampfte rückwärts. In gehöriger Entfernung von uns hielt er dann mehrmals und
sprengte hinter sich die Schienen. Doch wurden dieselben von uns noch an
demselben Tag wieder her-gestellt.
Bei
den Bolschewiki fehlte entweder überhaupt eine Führung, oder gehorchte man
deren Befehlen nicht. Die Mannschaft tat das Widersinnigste, was sie tun konnte
und ballte sich beim Zurückfluten nach den Eisenbahnzügen in dichte Klumpen
zusammen. Gegen diese Klumpen kam die verfolgende deutsche Artillerie und M.-G.
zum Feuer.
Unter
Kavalleriebedeckung waren sie vorgetrabt, ihr Erfolg war entsprechend. Alles
stob bei den Bolschewiki auseinander, die Eisenbahnzüge dampften ab, ehe sie
auch nur die Hälfte ihrer Insassen wieder hatten; überall begann eine wilde
Flucht. Hinterher jagten die Deutschen, von Höhe zu Höhe ging es vor, um mit
Feuer immer wieder ein-zusetzen. Bis über Malcewo hinaus gelangte die Gruppe
Wiedemann; allein an Toten ließ der Gegner über 200 Mann liegen.
Unsere
eigenen Verluste waren bei alledem kaum so groß, wie am 9. April; sie dürften
an beiden Tagen zusammen 12 Verwundete bettragen haben. Genaue Zahlen
beizubrin-gen ist unmöglich dank der Aktenvernichtung beim Ersatzbataillon L.
119 unter der Soldatenratsherrschaft
Nachmittags
meldete die Kavallerie, daß auch der Gegner bei Paldory seine Züge wie-der
belade und nach Osten abfahre. So war es für ihn auch bedeutend sicherer, als
bei einem Angriff gegen die Deutschen.“
aus: „Das
Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“,
Stuttgart 1921
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