Vorbemerkung:
Heinrich Butz war am 7.
Juni 1918 wegen fortgeschrittenen Alters und als Vater von vier Kindern von der
2. Kompagnie Landwehr-Infanterie-Regiment 126 zum Austausch-Kommando des
Feld-Rekruten-Depots der 7. Landwehr-Division versetzt worden und zur Rückkehr
in die Heimat vorgesehen. Nach dem Angriff auf die Mius-Halbinsel wurden auf
Grund der zahlenmäßigen Schwäche der deutschen Truppen 400 Mann vom
Feld-Rekruten-Depot der Gruppe Nord unterstellt. Die nachfolgende Schilderung
der Kämpfe auf der Mius-Insel ist der Regimentsgeschichte des Ulanen-Regiments
Nr. 20 entnommen.
„Am
Sonntag, den 9. Juni, war anscheinend alles ruhig, wie immer. Die
zurückkeh-renden Patrouillen meldeten ihr: „vom Küstenschutz nichts Neues, die
Bevölkerung ruhig, alles in Ordnung.“ Am Abend schwirrten Gerüchte von einer
Landung bolsche-wistischer Streitkräfte, doch konnte niemand Bestimmtes sagen.
Ein Patrouillenboot fuhr aus, um auf hoher See nach dem Gegner in der Nacht
noch zu suchen. Da die planmäßige Patrouille der Esk. unterwegs war, wurde
diese durch 2 Meldereiter davon benachrichtigt, daß Gefahr im Anzug sei und ihr
aufgetragen, erneut Nachforschungen anzustellen.
Das
Patrouillenboot stieß in dunkler Nacht auf den Feind, der mit 33 Fahrzeugen,
darunter einigen Kriegsschiffen, gegen die Miushalbinsel im Anmarsch war; das
Boot wurde auf seinem Rückzug auf Taganrog scharf verfolgt und beim
Morgengrauen donnerten von hoher See her die Schiffsgeschütze, deren platzende
Grüße in Taganrog eine unwillkommene Tagwacht ansagten.
Die
Meldereiter erreichten bei Tagesgrauen des 10. Juni nach scharfem Nachtritt
über 25 km die in Solotnia-Kosa befehlsgemäß in der Nacht vom 9. / 10. Juni
untergezogene Patrouille des Sergt. Gehm, die das Auftauchen der Flotte eben
bemerkte und fertig machte, um Meldung zu erstatten und erneute Erkundungen
nach andern Punkten der Halbinsel anzusetzen. Die erste Meldung erreichte die
Esk. 6.15 vorm. Inzwischen waren von der Esk. eine Reihe weiterer Patrouillen
als Verstärkungen (Lt. Frhr. v. Watter, Sergt. Riedinger) und Relais (Sergt.
Geisel und Schleeh) abgesandt worden, außerdem aber Lt. Erbgraf zu Königsegg im
Kraftwagen nach vorne gefahren, um Meldungen auf dem schnellsten Wege
zurückzubringen, sowie um einen Gesamt-überblick über die Lage zu gewinnen. Er
traf die Patrouille im Gefecht mit dem an zwei Stellen ausbootenden Gegner, der
von der See aus mit schweren Schiffsgeschützen seine Landung unterstützte.
Sergt. Gehm hatte in vorbildlichem Draufgehen mit 5 Karabiner-schützen
wiederholt das erste an Land haltende Fahrzeug beschossen, bis er infolge von
Feuerüberfällen aus den Hecken und Häusern durch bolschewistische Franktireurs
das Feld räumen mußte. Gemeiner Weise schlug sich die früher freundlich tuende Bauern-bevölkerung
alsbald auf Seiten der Bolschewiken und bedrohte unsere zurückgehenden
Patrouillen mit Steinen und Prügeln. Leider verlor die Esk. an diesem Morgen
drei ihrer besten Ulanen, die von Bauern überfallen (z. T. auf Patrouille,
teils beim Rasten in einzelnem Hofe) nun vermißt werden (Ulan Mäule und Bauer)
oder tot mit schwersten Verwundungen und der Kleider beraubt (Gefr. Kugler)
gefunden wurden; auch vier vorzügliche Pferde fielen durch Artilleriefeuer oder
auf Patrouille.
Vorm.
10 Uhr traf Exz. von Knoerzer in der Ortsunterkunft der Esk. ein, um sich die
nun zahlreich einlaufenden Meldungen an Hand der Karte vortragen zu lassen. Der
gelan-dete Feind hatte an zwei Stellen Brückenköpfe gebildet und trieb nun 10
Uhr vormit-tags, während hinten die Ausladungen planmäßig fortgesetzt wurden, Schützenlinien
gegen Norden und Osten vor, welchen die Ulanenpatrouillen zäh das weitere
Vordringen zu verwehren versuchte. Allein die Übermacht war zu groß. Mittags
war der Feind 12 km vorwärts gekommen und bedrohte Taganrog, aus dem das
Generalkommando abroll-te, um nicht die freie Hand zu verlieren.
Unter
dem Führer I. Res. 224 Rittmeister v. Müller (Ul. 5) (dem Sohn des früheren
Regimentskommandeurs Ul. 20) trat mittags ein Detachement zusammen, bestehend
aus 1 ½ Komp. Res. 224, 1 Batterie, 1. Esk, U. 20 und einem Panzerkraftwagen
mit 3 M. G.s, und rückte dem anmarschierenden Gegner entgegen, der sich schon 8
km westlich von Taganrog näherte.
Da
die Lage einen Angriff auf den mehrfach überlegenen Gegner nicht ratsam
er-scheinen ließ, wurde eine Stellung ausgehoben und die Nacht zur Aufklärung
und zum Anrollen von Verstärkungen benützt. Aber auch der Feind brachte von
Stunde zu Stunde Verstärkungen von den Schiffen, sowie Landbatterien heran. Am
Morgen des 11. Juni stellten die Ulanenpatrouillen diese fest. Der Tag blieb
sonst ruhig, da beide Gegner beschlossen, die Verstärkungen abzuwarten und dann
zum vernichtenden Schlage, wo-möglich mit Umfassung, auszuholen. So verging ein
langer Tag, zum Glück funktio-nierte der Bahntransport vollkommen, trotzdem
Streiks drohten, so daß Batl. um Batl., Artillerie, Munition und alles
Notwendige, das aus weitester Entfernung herangezogen werden mußte, wie mit
einem Uhrwerk betrieben herankam.
Auch
2 Esk. der 5. Bayr. Chevauxleger (7. Kavalleriebrigade) unter Major von
Löffel-holz, der die Führung des Detachements „Nord“ übernahm, trafen nach einem
Tage-marsch von 75 km an glühend heißem Tage rechtzeitig ein. Am Morgen des 12.
griffen die Bolschewiken um 10 Uhr vorm. an. Sie drangen in die zwischen den
beiden De-tachements „Süd“ (v. Müller), „Nord“ (v. Löffelholz) vorhandene 3 km
breite Lücke, in der sich zur Verschleierung nur eine dünne (17 Karabiner
starke) Schützenlinie der 1./Ul. 20 befand. Die im rechten Moment ankommenden
Verstärkungen aus eigener Infanterie warfen den angreifenden Gegner auf seine
Angriffsstellung zurück und drängten ihn auf seinem linken Flügel gegen Abend
und im Laufe des nächsten Tages immer mehr gegen seine Ausladepunkte an der
Küste. Am Nachmittag des 13. Juni übernahm Oberst Bopp (Ul. 20), Kommandeur der
53. Landw.-Inf.-Brigade, den Befehl. 5 Uhr nachm. trat alles zum Sturm an.
Verzweifelt wehrten sich die Desperados, deren Reiter, 60 an der Zahl, in
kühner Attacke den Durchbruch zur Flucht riskierten. Bis zu Leitung „Süd“
durchdringend, fielen die letzten von den Karabinern der Ulanen
nieder-geschossen. In einem Gehölz an der Landungsstelle zusammengepfercht,
versuchten Tausende die Flucht auf Flößen und Fischerseglern, die von
Artillerie, M. G. und Schützen mit Feuer überschüttet wurden, wollten auf ihren
Pferden im seichten Meere der Steilküste, die Tod und Verderben spie, entlang
reitend, an unbewachter Stelle das rettende Ufer erreichen. Vergebens. Der Tod
hielt reiche Ernte. Ein Schlachten war’s, nicht eine Schlacht zu nennen, dem
die Nacht ein Ende setzte. Der Rest mit einer Anzahl von Weibern ergab sich auf
Gnade und Ungnade, welch letzterer alle, da Pardon weder verlangt noch gegeben
wurde, im Feuer von M. G. fielen. Von den 10 000 gelandeten Bolschewiken sind
wohl kaum 1000 Mann, diese meistens verwundet, entkommen. Die Beute betrug 7
Geschütze, viele M. G. s, Massen von Gewehren und Munition auf den
Transportschiffen, von denen 9 nicht mehr vom Lande abkamen, und sonstiges
Kriegsmaterial aller Art.“
aus: „Bilder aus der Geschichte de
Ulanen-Regiments König Wilhelm I (2. Württ.) Nr. 20“, Stuttgart 1934
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