„Am
30. Juni, um 10.35 Uhr abends, setzte auf der ganzen Regimentsfront schlagartig
stärkstes feindliches Feuer ein. Gelbe Leuchtzeichen zischten aus dem
Vorpostengraben und K 1 empor, zuerst deutlich sichtbar, dann allmählich
verschwimmend in dem Rauch und Qualm, den der Hagel der feindlichen Geschosse
in die Höhe schleuderte. Sie bedeuteten: Hilfe! Sperrfeuer!
Um
10.45 Uhr abends rollte auch auf deutscher Seite das Sperr- und
Vernichtungsfeuer aus allen verfügbaren Geschützen los. Die vorher klar
erkennbare Höhe 110 verschwand hinter einer Wand von Dampf und Dunst. Durch das
Trommeln der gegenseitigen Artillerien tönte hell das scharfe Knallen der
Maschinengewehre und das Krachen von Handgranaten. Kein Zweifel mehr – der
Engländer griff an!
Die
Kompanien der vorderen Linie waren gerade dabei gewesen, ihre Nachtpost-ierungen
auszustellen. Da setzte plötzlich das englische Artilleriefeuer ein. Und kaum
waren die ersten Granaten im Vorpostengraben, K 1 und bei den Bereitschaften
einge-schlagen, da tauchte aus den vordersten englischen Gräben in der ganzen
Breite der Regimentsfront eine dichte Schützenlinie, dahinter starke Reserven
auf, die im Lauf-schritt auf den deutschen Vorpostengraben zueilten. Im
Vorpostengraben standen etwa alle 150 Meter 3 bis 4 Mann. Die schwache
Besatzung wehrte sich verzweifelt. Aber sie war zu schwach, um den Angriff
aufzuhalten. Nach heldenmütiger Gegenwehr unterlag sie im Nahkampf. Der Feind
eilte auf den K 1 zu. Die Teile des I. Bataillons (rechtes Kampfbataillon), die
im K 1 lagen, traten zum Gegenstoß an. Im Zwischengelände zwi-schen K 1 und
Vorpostengraben prallten die Gegner aufeinander. Der zahlenmäßig weit
überlegene Engländer behielt die Oberhand und drang in den Kampfgraben des I.
Bataillons ein. Die Verluste waren auf beiden Seiten schwer.
Beim
linken Kampfbataillon – III./122 – wurde der Vorpostengraben ebenfalls
über-rannt. Der K 1 hatte hier gutes Schußfeld und konnte gehalten werden. Nur
am rechten Flügel ging er verloren. Die 12. Kompanie, die ihn schrittweise
verteidigte, mußte ihn schließlich räumen, wenn sie der völligen Vernichtung
entgehen wollte. Der tapfere Kompanieführer, Leutnant d. R. Späth, fiel hier
durch Herzschuß.
Gleichzeitig
mit dem Angriff gegen die Front des Regiments waren geschlossene englische
Kolonnen, an der Spitze Offiziere, an der nördlichen Regimentsgrenze entlang
gestoßen. Drei Minuten nach dem Einsetzen des Feuers tauchten diese Kolonnen
schon, von Nord nach Süden vorstoßend, im Hohlweg vor der 2. Kompanie auf.
Leutnant d. R. Sauter, der Kompanieführer der 2. Kompanie, und die dort
liegenden Minenwerfer-Mannschaften warfen sich dem Feind entgegen. Nach
blutigem Nahkampf gelang es, die Straßengabel bei Punkt A zu halten. Das war
die rettende Tat dieses Abends. Wäre die starke englische Kolonne hier nicht
zurückgeworfen worden, sondern hätte sie ihren Weg in Richtung Albert
fortsetzen können, es wäre unabsehbares Unglück geschehen. Die dieses Unheil
abgewehrt haben, waren nur eine verschwindend kleine Schar: Leut-nant d. R.
Sauter, Sergeant Kübler, Unteroffizier Hommel, Gefreiter Ortwein, Weiß und
Dietrich, die Füsiliere Schneck, Rabenstein und Thum (2. Kompanie), das
Maschinen-gewehrnest Adam (Vizefeldwebel Beißwenger, Gewehrführer Hanold,
Gefreiter Gun-zenhauser der 1. Maschinengewehrkompanie) und ein paar
Mannschaften der Minen-werfer-Abteilung.
Wie
hier im Hohlweg, so wogte auf der ganzen Regimentsfront der Kampf hin und her.
Das
Wesen dieser erbitterten Kämpfe war die Ungewißheit. Es war Nacht. Eigene und
englische Maschinengewehre kämmten aus nächster Nähe die Gräben ab. Von
rückwärts her eingreifende Stoßtrupps entpuppten sich plötzlich als Engländer.
Von der Seite anrückende Abteilungen, die ganze Salven von Handgranaten hinter
die Schulterwehren schmetterten, wurden erst in der Nähe am Stahlhelm als
deutsche Reserven erkannt. Aus den Wolken von Petroleum- und Nebelminen blitzen
plötzlich die Bajonette geschlos-sener englischer Züge. Melder rannten fort in
die Nacht hinein – in den Riegel von Granaten, den die Engländer noch immer
hinter den K 1 legten. Sie kamen nicht mehr zurück.“
aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz
Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1921
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