„Punkt
1.10 Uhr flammen die Mündungen ungezählter Geschütze auf, heulend und zi-schend
rauschen die Geschosse über die dichtgefüllten Gräben hinweg, wie blitzschnelle
Glühwürmer sieht man einzelne Geschosse am Nachthimmel feindwärts ihre Bahn
ziehen; aber keine Überraschung bringen sie leider dem Gegner, der – sei es
durch Ver-rat, sei es durch seine glänzend arbeitende Spionage, der gewissenlose
Schwätzer und Wichtigtuer in Feld und Heimat nur allzu reichlichen Stoff
lieferten – über Stunde, Mittel und Ziele des Angriffs genau unterrichtet war
und die Abwehr aufs zweck-mäßigste vorbereitet hatte. Die französische
Artillerie antwortet zuerst lebhaft, aber nach kurzer Zeit verstummen die
feindlichen Geschütze. Die drüben mögen genug zu tun haben, um sich vor der
verderblichen Wirkung der Gasgranaten zu schützen. Macht sie sich doch infolge
der ungünstigen Windrichtung selbst für den Angreifer unangenehm genug fühlbar;
in dicken Schwaden zieht Gas und Rauch von der französischen Stellung herüber,
so daß auch auf deutscher Seite alles zur Gasmaske greifen muß.
Auf
die befohlene Sekunde treten die vorderen Regimenter zum Sturm an, kaum eine Viertelstunde
später folgt das Grenadierregiment, in Reihen zu einem, an der Spitze das II.
Bataillon, dahinter Regimentsstab, I. Bataillon und Minenwerferkompagnie. Schon
kurz nach dem Antreten setzt die Gegenwirkung der französischen Artillerie ein,
deren in Erwartung des Angriffs weit zurückgezogene Batterien von der deutschen
Artillerie-vorbereitung überhaupt nicht gefaßt worden waren. Schon vor
Erreichung des Höhen-rückens Luginsland, der sich zwischen Hochberg und
Cornillet erstreckt, geraten die Bataillone in heftige Feuerüberfälle mit Gas-
und Splittermunition. Die Verluste waren jedoch trotz des anfangs sich
verstärkenden feindlichen Artilleriefeuers relativ gering. Unter den beim
Vormarsch Gefallenen befand sich der tapfere Führer der 6./119, Leutnant d. R.
Giersch. Am 20. Januar hatte er sich noch im Urlaub am friedlichen Fuß-ballkampf
der Regimentsmannschaft gegen die 1. Mannschaft der Stuttgarter Kickers auf
deren degerlocher Spielplatz mit Begeisterung und Jugendfrische beteiligt.
Dem
unerschrockenen Leutnant d. R. Bruder, der schwer verwundet lag, konnte der Regimentskommandeur
im Vorbeigehen noch Trost spenden. Mannhaft ertrug er seine Todeswunde, der er
kurze Zeit nachher erliegen mußte.
Beim
Überschreiten des Höhenrückens zeigt sich die ganze gegen Prosnes und wei-terhin
zur Maas sich dehnende Ebene in einem dichten Schleier von Nebel, Rauch und Gas
gehüllt, schweres Feuer liegt auf dem Zwischengelände und der 1. französischen
Stellung. Trotzdem erleiden die Bataillone beim Abstieg in die Ebene, wohin
zunächst das II. Bataillon im Anschluß an Regt. 121 folgt, nur geringe
Verluste. Dagegen wird das feindliche Artilleriefeuer den Begleitbatterien des
Feldart.-Regt. 29 und der Infan-teriegeschützbatterie zum Verhängnis. Dicht
hinter der Infanterie suchen sie über die zahllosen Gräben und Trichter, über
Kalkgeröll, Drahtgewirr und Trümmer von Unter-standsbauten dem Angriff zu
folgen, unermüdlich greifen Pioniere und Grenadiere hel-fend in die Speichen der
Geschütze und Protzen, aber nur Schritt für Schritt geht es vorwärts und bald
fordern die schweren französischen Brisanzgranaten ihre Opfer unter der
Bedienung und Bespannung.
Allmählich
zerstreut die schon in den Morgenstunden heiß brennende Sonne die Nebel-schwaden
und ermöglicht vom Hochberg aus, wo Regiments- und Brigadegefechtsstand sich
befinden, einen – wenn auch durch das Grabengewirr und hügelige Trichterfeld
beeinträchtigten – Überblick über den Stand des Kampfes. Der Brigadestab hatte,
kaum auf dem Hochberg angelangt, durch einen Volltreffer schwere Verluste. Der
Regiments-stab entging nur wie durch ein Wunder dem gleichen Schicksal. Die
Regimenter vor-derer Linie hatten, dicht hinter der vorwärtsschreitenden
Feuerwalze in Rauch und Qualm vordringend, den 1. französischen Graben
überschritten. Er war leer, wohl schon vor oder gleich zu Beginn unseres Feuers
geräumt, kein Toter, keine Waffe war darin zu finden. Auch der 2. Graben war
von den Sturmwellen ohne Widerstand überschritten worden, aber dahinter saß der
Franzose in zahlreichen Maschinengewehrnestern, um die alsbald ein wütender
Kampf entbrannt war. In stundenlangem heißem und aufreibendem Ringen, Schritt
für Schritt den zäh verteidigten Boden erkämpfend, hatten die Sturm-regimenter
den Angriff hier vorwärts getragen und standen nun in der Gegend der Rö-merstraße,
wo der Kampf teils noch in langsamem Fortschreiten war, teils in heftigem
Infanteriefeuergefecht zum Stehen zu kommen drohte. Dicht hinter Regt. 121, zum
Ein-greifen bereit, stand das II./119; es hatte, über Wald Beilpicke vorgehend,
gegen 9 Uhr vormittags die Gräben westlich Wichmann-Wäldchen erreicht. Das I.
war dem II. Bataillon gefolgt und bis in die Gegend des Wichmann-Wäldchens
vorgerückt, das III. auf Befehl der Division zunächst am Hochberg verblieben.
Hier sah man bald in den zusammengeschossenen Gräben blaugraue Schlangen die
Höhe sich heraufwinden, ge-fangene Franzosen, große, kräftige Gestalten,
ausgezeichnet genährt und gekleidet, von selbstbewußter Haltung. Was sie auf
Befragen erzählten, eröffnete für den Fortgang des Angriffs wenig günstige
Aussichten: seit Tagen war ihnen die Stunde des Angriffs be-kannt gewesen, die
vordersten Gräben waren geräumt, die Artillerie weit zurückgezo-gen, das
Sperrfeuer weittragender Batterien in neuen Stellungen übertragen worden, die
vom deutschen Wirkungsschießen überhaupt nicht gefaßt werden konnten. Trotzdem
war es gelungen, den Angriff im Divisionsabschnitt auf beinahe 5 Kilometer
vorzutra-gen. Bei der rechten Nachbardivision war er vor der 2. Stellung ins
Stocken geraten, so daß die vorderen Teile der 26. Division im Kampf um die
Römerstraßen-Stellung schwer unter flankierendem Feuer von rechts zu leiden
hatten. Mehrfache Versuche der 3. G.-Inf.,-Division, auf die Höhe der von den
Regimentern 121 und 125 erreichten Linie vorzustoßen, scheiterten im feindlichen
Feuer.
Eine
vom Regimentskommandeur zur Verbindung mit der rechten Nachbarbrigade ent-sandte
Patrouille meldete 5.20 nachmittags: „Rechtes Regiment der 3. G.-Inf.-Division
liegt mit seinen vordersten Teilen an der Römerstraße, linker Flügel stark
zurückgebo-gen; dieser (Lehr.-Inf.-Regt.) liegt dicht südlich Parallelwald, vor
ihm halten sich die Franzosen in der Römerstraßenstellung (also in der Flanke
von Inf.-Regt. 121).“
Zur
Sicherung der offenen Flanke und zur Verbindung des rechten Flügels der Division
mit dem Lehr-Infanterieregiment wurde nun vom Grenadierregiment „Königin Olga“
das halbe II. Bataillon (6. und 7. Kompagnie) und die 2. M.-G.-K. an der
bedrohten Stelle eingesetzt.
Die
8. und 5./119 blieben am Wichmann-Wäldchen zur Verfügung des Regimentskom-mandeurs.
Oberst
Frhr. v. Gemmingen hatte von 1.30 Uhr nachmittags den Regimentsgefechtsstand in
der 2. französischen Stellung nördlich des Wäldchens Beilpicke, das, gänzlich
zer-schossen, nicht mehr als Wald zu erkennen war, eingenommen.
Dem
Inf.-Regt. 125 waren auf Befehl der Brigade 2 Kompagnien des I./119 (1. und 2.)
zur Verfügung gestellt worden.
Von
stundenlangem erbittertem Kampf in Sonnenglut, Qualm und Kreidestaub er-schöpft,
lagen die Angreifer vor dem stark ausgebauten feindlichen Stellungssystem an
der Römerstraße. Ein auf 7 Uhr abends befohlener neuer Angriff der 3.
G.-Inf.-Division, 26. Inf.-Division und der links vorgehenden G.-E.-Division
kam bei ungenügender Artillerievorbereitung und starker feindlicher
Gegenwirkung nicht zur Entwicklung.
Nachdem
Teile der Artillerie in der Nacht weiter vorgezogen worden waren, wurde am
Vormittag des 16. Juli der Angriff auf Prosnes erneuert. Das II. Bataillon mit
der 6. und 7. Kompagnie und 2. M.-G.-K. in vorderster Linie griff 11 Uhr
vormittags zusammen mit dem I./121 und der rechts stehenden Garde an. Im
heftigsten Artillerie- und Maschi-nengewehrfeuer stießen die Kompagnien bis fast
an den Nordrand des Dorfes vor. Aber der Gegner stand hier in
wohlvorbereiteten, planmäßig ausgebauten Stellungen unter dem Schutze seiner
unversehrten mächtigen Artillerie, während die eigene Artillerie über das
Trichtergelände nur zum kleinsten Teile hatte folgen können. Die
Anschluß-truppen rechts stießen auf unüberwindlichen Widerstand und wie ein Keil
ragte die 6. Kompagnie aus der allgemeinen Linie heraus, notdürftig durch die
7. Kompagnie gegen Flankenangriffe gesichert. Die Lage war auf die Dauer nicht
haltbar und zur Vermei-dung weiterer Verluste wurden die beiden Kompagnien
nachmittags wieder in die Römerstraßenstellung zurückgenommen.“
aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin
Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927
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