„Der
Rückmarsch war noch eine recht schwierige Sache. Stockdunkel war die Nacht, es
regnete in Strömen. Die beiden Marneübergänge, die Schleuse nördlich Mareuil
und die Brücke bei Trissy lagen unter ständigem Feuer. Der Gegner hatte
offenbar besondere Überwachungs-Batterien angesetzt, die Tag und Nacht auf die
Übergänge zu schießen hatten. Alle Augenblicke lohte dort eine Feuergarbe auf,
gefolgt von einem donnerähn-lichen Schlag. Recht verlockende Aussichten für den
Gang über die Brücken! Doch, was half’s? Man mußte. Sobald allemal eine
„Schwere“ eingeschlagen hatte, rannte wieder ein Trupp über die Brücke – und
schon heulte die nächste Granate heran. Am schwierigsten war die Sache
natürlich mit den Pferden. Aber auch das wurde geschafft. Gegen 3 Uhr früh traf
man, naß bis auf die Haut, in Vandières ein, das mit Truppen und Bagagen
vollgepfropft war. An ein Quartier war nicht zu denken. Trotz der naßkalten
Nacht mußte biwackiert werden. Unter Zelten und Fahrzeugen, unter Wagenplanen
und Kistendeckeln suchte jeder vor Regen und Kälte Schutz so gut es ging. Die
Müdigkeit war glücklicherweise so groß, daß man in der unmöglichsten Stellung
schlief. Leider störte gegen Morgen die feindliche Artillerie. Unvermittelt
flogen einige dicke Brocken in unsere Nähe – als Warnung. Aber was tun? Wo denn
hin? Man pennte weiter, bis es gegen Morgen fröstelig wurde. Man stand auf,
rekelte sich, rieb die Augen aus und trank einen Schnaps – so vorhanden. Damit
war die Toilette beendet. Bald zog die Sonne herauf und weckte die alten
Lebensgeister wieder. Vormittags wurden Waffen gereinigt und die
Bekleidung der nötigsten Reinigung
unterzogen. Auch Pferde und Tragetiere wurden wieder mal geputzt. Dabei war
aber Vorsicht geboten, da man vom feindwär-tigen Flußufer eingesehen war.
Außerdem kreisten zahllose Flieger über dem Marnetal. Wollte man nicht Gefahr
laufen, noch einmal eine Nacht wie in Arcis le Ponsart zu erleben, so mußte
alles geschehen, um nicht erkannt zu werden. Die gegen die Marne-übergänge
angesetzten Bombengeschwader kehrten immer wieder. Einigemal warfen sie neben
Aufschlagbomben auch solche mit Brennzündern, die wie ein Baldachin aus Rauch
und Feuer über den Brücken hingen. Der Überblick, den unser Standpunkt über das
Gefechtsfeld bot, zeigte unaufhörlich neue Bilder. Hier war es ein Luftkampf,
dort der Einschlag schwarzer Granaten, da ein erstürmter Schützengraben in
zertrampeltem Kornfeld. Tote Pferde, aufgedunsen, die Beine von sich gestreckt,
lagen umher und verbreiteten süßlichen Leichengeruch. Auch gefallene Franzosen
sah man noch da und dort in den Weinbergen und Ährenfeldern, blaß und steif mit
gläsernen Augen.
Nachdem
Mann und Roß wieder leidlich gesäubert waren, ging es daran, die stark
zusammengeschmolzenen Verbände neu zu ordnen. Aus allen 6 Schützenkompagnien,
die vor zehn Tagen zum Kampf gezogen waren, konnten gerade noch 2 Kompagnien
gebildet werden: Die Kompagnie Heubach aus der bisherigen 1., 2. und 6.
Kompagnie und die Kompagnie Schrop aus der 3., 4. und 5. Kompagnie. So hatte
die 2. Marne-Schlacht unsere Reihen gelichtet! Zu alledem schied an diesem
Abend auch noch die brave Infanteriegeschütz-Batterie aus dem Verbande des
Regiments, um nach Coulonges zu rücken. Nur ungern ließen wir diese lieben
Waffengefährten und treuen Helfer ziehen, die uns in manch heißer Stunde
brüderlich zur Seite gestanden. Unvergessen werden sie in unserer Erinnerung
fortleben, die tapferen Kanoniere und Fahrer der I. G. B. 4, voran ihr
trefflicher Führer, Leutnant Feninger. Noch hörte man in der Ferne das Rasseln
der Geschütze, als die Sonne hinter dem bewaldeten Horizont versank. An der
Front aber zuckte Geschützfeuer. Auch wir sollten von diesem „Abendsegen“ nicht
verschont bleiben. Eben waren die Kompagnien dabei, sich unter Zelten und
Wagen-decken zur Ruhe zu legen, als das Schicksal jäh dazwischen griff. Granaten
krepierten – schwarzer Qualm – getroffen lagen einige Kameraden am Boden. Mit
hastigem Griff wurden Gewehr und Gepäck erfaßt, Zeltbahn und Decke genommen und
gelaufen, nordwärts dem Walde zu. Dort war es ruhiger, dort konnte man die
gestörte Nachtruhe fortsetzen. Der Troß wurde an den Nordrand des Trotte-Waldes
geschickt.
Während
wir so bei Vandières lagen, hatten unsere M. G.-Kompagnien an den Marne-brücken
keine leichte Arbeit. Die feindliche Artillerie, die fortgesetzt an Stärke
gewann, verfolgte jede Bewegung vor allem an den Brückenstellen mit
beobachtetem Feuer. Unter Einsatz ungeheurer Munition versuchte sie den Verkehr
über die Marne zu sper-ren, um den südlich liegenden Truppen den Nachschub
abzuschneiden.
Auch
gegen Vandières hatte sich das feindliche Feuer verstärkt. Auf Anordnung der
Brigade wurde deshalb das Regiment an den Nordrand des Trotte-Waldes verlegt.
Hier bat der Regiments-Kommandeur angesichts der schweren Verluste des auf ein
Drittel zusammengeschmolzenen Regiments das Armee-Oberkommando um Ablösung, um
nicht durch erneuten Einsatz die Bataillone völlig aufzureiben. das A. O. K.
würdigte diese Verhältnisse. Noch am Nachmittag wurde das Regiment als
Divisionsreserve nach dem Wald Garenne de Villers Agron zurückgenommen.“
aus:
„Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen