„So
kam der 1. August und mit ihm der erwartete feindliche Angriff. Gegen 4.30 Uhr
vormittags nahm das nächtliche Störungsfeuer zu und steigerte sich gegen 6 Uhr
vormit-tags zum Tosen des Trommelfeuers. Erst schien sich rechts des
Regimentsabschnitts ein feindlicher Angriff zu entwickeln, um 6.15 Uhr
vormittags griff der Gegner auch vor der Front des Regiments an. Hinter einer
dichten Walze aufschlagender Granaten und plat-zender Schrapnells folgte die französische
Infanterie in Massen. Gedeckt durch Nebel und Rauch und das wellige,
kornbestandene Gelände kam sie dicht an die Vorposten heran, deren
abgeschossene, alarmierende Signalkugeln rückwärts nicht gesehen werden
konnten.
Die
Fernsprechleitungen waren überall längst zerschossen, doch arbeiteten noch die
Erdtelegraphenstationen bei den Bataillonsgefechtsständen. Unsere Artillerie,
in Un-kenntnis über das Fortschreiten des feindlichen Angriffs, konnte nur wenig
wirken; diejenigen Teile der Vorfeldposten, die sich mit dem Gegner nicht
verbissen hatten, konnten in den hohen Kornfeldern auf die
Hauptwiderstandslinie ausweichen. Vizefeld-webel Dengler der 9. Kompagnie jedoch
hielt mit seinen Leuten zu lange auf seinem Posten aus und wurde mit 5 Mann
gefangen genommen. Auch der Vorfeldkommandeur der 2. Kompagnie, Leutnant d. R.
Peters, glaubte den Angriff schon im Vorfelde abweh-ren zu können. In heftigem
Ringen wurde er seiner rechten M.-G.-Gruppe beraubt, so daß er mit den ihm
verbleibenden beiden Gruppen den Rückzug auf die Hauptwider-standslinie antreten
mußte. Erbitterte Einzelkämpfe mit Gewehr, Handgranaten und Messer spielten
sich ab. Schritt für Schritt zurückweichend, brachten die Grenadiere dem Feind
schwere Verluste bei. Durch das langsame Zurückgehen unserer Vorfeld-besatzung,
unbekümmert um das, was sich links und rechts abspielte, gelang es dem Gegner,
sie in den unübersichtlichen Kornfeldern vom Rücken zu fassen. Tapfer schlu-gen
sich die Leute nach allen Seiten, um sich nach rückwärts Bahn zu brechen.
Einige fielen, der Rest, größtenteils verwundet, kam in dichter Mischung mit
den schneidig vorgehenden Franzosen vor das Feuer der Hauptwiderstandslinie.
Herausgeschossen durch ihre Kameraden, vermochten sich die Kämpfer schließlich
loszulösen, der zuletzt zurückgehende Leutnant d. R. Peters mit seinen beiden
Meldern blieb leider in Feindes-hand. Ein Verwundeter, der sich in einer
Korngarbe versteckt hatte und am Abend erst zurückkam, berichtete später von
den prachtvollen Taten zu Beginn der Vorfeldkämpfe.
Als
nun die Besatzung der Hauptwiderstandslinie freies Schußfeld auf den in
Wurfweite in dichten Haufen herankommenden Feind hatte – es war inzwischen 6.30
Uhr vormit-tags und die feindliche Feuerwalze war schon im Hintergelände angekommen
–, da schlug den Franzosen ein niederschmetterndes Feuer entgegen, das sie
zwang, von den Kornfeldern aus ein Feuergefecht zu führen. Doch sie konnten
nirgends die Übermacht erringen. Die Besatzung der Hauptwiderstandslinie schoß,
um besser zu sehen, stehend freihändig von den höchsten Erdaufwürfen ihrer
Schützenlöcher mit Gewehren, Ge-wehrgranaten und über die Schulter gelegten
leichten Maschinengewehren. Wo der Geg-ner es wagte, aus den Kornfeldern herauszutreten,
rannte er in den sicheren Tod. Zahl-reiche Verwundete sah man zurücklaufen und
sich bei einer an dem wohlbekannten Waldstück, Stabswäldchen genannt,
aufgestellten Sanitätsflagge sammeln. Dort und im sogenannten „Eisenwäldchen“ setzte sich der Gegner fest und
organisierte sich anschei-nend zu neuem Angriff. Das Feuer unserer Artillerie
war teils aus Mangel an Munition, teils wegen der fehlenden Verbindung nicht
recht zur Entwicklung gekommen. Dagegen war den leichten Minenwerfern ein von
Leutnant d. R. Sinn vorzüglich geleitetes Feuer gegen die beiden Wäldchen zu
danken.
Die
geschwächte Hauptwiderstandslinie wurde nun zunächst durch Teile der in zweiter
Linie eingesetzten Kompagnien verstärkt und nachdem sich schon gegen 7 Uhr
vormit-tags die 9. und 10. Kompagnie unter ihren Führern, den Leutnants d. R.
Seeger und Klumpp, die Franzosen in energischem Gegenstoß bis über die Straße
Cramaille – Trugny zurückgeworfen hatten, gelang es gegen 9 Uhr vormittags auch
der 2. Kompag-nie unter Leutnant d. R. Heim und Teilen der 10. Kompagnie unter
Vizefeldwebel Betz und dem gerade anwesenden Führer der 12. Kompagnie, Leutnant
d. R. Kuhnle, im Handgranatenkampf – sehr gut unterstützt durch
Gewehrgranatenschützen – das Eisen-wäldchen wieder in Besitz zu nehmen. 30 Gefangene
und 1 Maschinengewehr blieben dabei in unserer Hand. Die gefangenen Franzosen
gehörten der 68. Res.-Division (Regt. 206, 234 und 344) an, die erst vor
wenigen Tagen von Verdun abtransportiert wurden, dort abgelöst durch Amerikaner
und aufgefüllt durch Leute vom Jahrgang 98.
Unter
dem Druck der dem Feind hart zusetzenden Patrouillen wich dieser, stark
erschüt-tert, bis an die Hänge des Ourcq-Grundes, seiner Ausgangsstellung,
zurück. Hierbei wurde Leutnant Menton (Otto) am Stabswäldchen auf nächste Entfernung
angeschossen und schwer verwundet. Eine Besetzung des Vorfeldes mit starken
Kampfgruppen konnte der eingetretenen Verluste wegen nicht mehr durchgeführt
werden. Doch auch der Feind hatte sichtlich die schwersten Verluste, weit mehr
als der Verteidiger, erlitten. Allein vor dem Abschnitt der 9. Kompagnie wurden
am Abend 250 tote oder schwer verwundete Franzosen gezählt.
Unter
den schwierigsten Umständen wurden in den nächsten Stunden die gänzlich
er-schöpften Munitionsbestände aufgefrischt. Die wichtige
Maschinengewehrmunition wurde vom Regimentsgefechtsstand in Foufry durch die
noch immer unter starkem Feuer liegende Artilleriezone vorgeleitet. Wurfminen, Handgranaten, Infanterie- und
Leuchtmunition wurden unter großen Anstrengungen im feindlichen Feuer nach
vorne geschafft. Der Fernsprechdraht vom I. Bataillon zum Regiment, der an 17
Stellen abge-schossen war, wurde geflickt; die Meldehündin Bella, die beim I.
Bataillon glänzende Dienste geleistet hatte, verkehrte wieder und auch einige
Brieftauben waren noch flug-bereit. Die Blinkverbindungen waren leider durch
Artillerietreffer fast sämtlich außer Gefecht gesetzt. Dank der Aufopferung der
Ärzte und des Sanitätspersonals ging der Abtransport der Verwundeten rasch und
reibungslos von statten.“
aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin
Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927
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