„Um
starke Kräfte freizubekommen und der Truppe unnötige Verluste zu ersparen,
hatte sich die Oberste Heeresleitung entschlossen, die westlich der Division
stehenden Truppen auf das Nordufer der Vesle zurückzunehmen. Diese Maßnahme
erhielt den Decknamen „Blücherbewegung“; sie begann am 1. August. Der Rückzug
mußte auch auf dem rechten Flügel der Division fühlbar werden. Das Nachbarregiment
(Inf.-Reg. 127) mußte seine Stellung ebenfalls zurückverlegen. Beim Regiment
475 machte sich erst am 3. August vormittags eine verstärkte feindliche
Patrouillentätigkeit bemerkbar. Schon 4.30 Uhr vormittags hatte ein Posten der
12. Kompagnie mit einer vorfühlenden feindlichen Patrouille zu kämpfen; er
vertrieb sie durch Feuer. Um 8 Uhr vormittags ging der Feind an La Neuvillette
heran. Nach Handgranatenkampf zwang ihn der Posten der 2. Kompagnie zur Umkehr.
8.40 Uhr vormittags wurde der gleiche Posten von einer stärkeren Patrouille
angegriffen; Musketier Lutz vertrieb sie durch Handgranaten. Ein Korporal des
französischen Regiments 100 wurde von ihm schwer verwundet und gefangen.
Am
Nachmittag des 3. August kam die Rückzugsbewegung immer deutlicher zum
Ausdruck. Das feindliche Feuer hatte seit einigen Tagen sich sehr verstärkt und
nach Norden zugenommen. Am Vormittag des 3. August hatte der Franzose St. Brice
und Courcelles besetzt und war im Park von Schloß La Malle eingedrungen. Nun
war auch beim Regiment der Angriff stärkerer Kräfte zu erwarten. 2.45 Uhr
nachmittags setzte das Vorbereitungsfeuer starker Artilleriekräfte auf La
Neuvillette und die Front des rechten (I.) Bataillons ein; 3.10 Uhr nachmittags
griff der Feind an. Damit begann ein bis in die späte Nacht währender Kampf um
La Neuvillette und die anschließende bisherige Hauptwiderstandslinie. Das
Bataillon hielt sich, bis es dem Feind gelang, dem anschließend daran in seine
neue Stellung zurückgehenden Inf.-Reg. 127 zu folgen. So saß der Gegner dem
Bataillon im Rücken und es gelang ihm, in La Neuvillette einzu-dringen. Nun
mußte die Hauptwiderstandslinie im rechten Bataillonsabschnitt an den Kanal
zurückverlegt werden. Ein alsbald angesetzter Gegenstoß unter Führung des
Vizefeldwebels Eitel gelang nicht; der Führer wurde verwundet. Auch eine
Feldwache östlich La Neuvillette mußte vor starken französischen Angriffen
zurückgenommen werden. 4 Uhr nachmittags wurde das II. Bataillon vorgezogen. Am
Abend sollte im Einvernehmen mit dem Regiment 127 ein regelrechter Gegenangriff
zur Wiederge-winnung des ganzen Vorfeldes geführt werden. Von 7 Uhr ab bereitete
Artillerie den Angriff vor. 7.15 Uhr abends fand er statt und kam anfänglich
gut vorwärts, namentlich auf dem rechten Flügel. Sodann aber prallte der Stoß
auf den gleichzeitig angesetzten, mit weit überlegenen Kräften geführten
Angriff der Franzosen. Es gelang ihnen, zwi-schen zwei Kompagnien durchzustoßen,
so daß die 1. Kompagnie, die westlich La Neuvillette vorgegangen war, auf das
Westufer des Kanals zurückgenommen werden mußte. Die in La Neuvillette
kämpfende 2. Kompagnie wurde bis zur Mitte der Ortschaft zurückgedrängt.
Weitere kleine Gegenstöße der 2. und 4. Kompagnie schei-terten an der Stärke des
Feindes.“
aus: „Das Württembergische
Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921
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