Sonntag, 2. September 2018

2. September 1918



„Eine unruhige Nacht brach an. Englisches Störungsfeuer lag auf fast allen wichtigen Geländepunkten. Die englische Infanterie versuchte überraschende Vorstöße. Die Front mußte gesichtet, geordnet und neu eingeteilt werden. Eine größere Verschiebung war infolge der Nähe und Aufmerksamkeit des Feindes nicht möglich. Klare Befehlsver-hältnisse in der bunt durcheinandergewürfelten Front zu schaffen, war aber das Aller-erste, was geschehen mußte. Die Bataillone des Regiments lagen im allgemeinen zwi-schen den Bataillonen des Alexander-Regiments. Da dessen Kommandeur der ältere war, traten die Bataillone des Füsilier-Regiments unter den Befehl des Kommandeurs des Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiments.
Kaum waren die Verbände notdürftig geordnet, als am Morgen (2. September) wieder um 6.30 Uhr vormittags erneutes starkes feindliches Feuer einsetzte. Nach wenigen Minuten steigerte es sich zum Trommelfeuer. Aus dem Wirbel von krachenden Ein-schlägen erscholl das scharfe Hämmern deutscher Maschinengewehre. Fast 2 Stunden lang wogte der Kampf um die vordere Linie hin und her. Wieder vermischten sich die Verbände. Erbittert wurde um jeden Zentimeter Boden gerungen. Gegen 8.45 vormittags drang der Gegner von Norden her in Allaines ein. Die am Südrand fechtenden Truppen des III. Bataillons mußten weichen und entkamen gerade noch mit knapper Not der Um-zingelung. Nur die 10. Kompanie fehlte. Bei dieser Kompanie befand sich der Batail-lonskommandeur, Major Fürst von Waldburg-Zeil, mit seinem Bataillonsstabe und dem Führer der 2. Maschinengewehrkompanie, Oberleutnant d. R. Burger. Man nahm zu-nächst an, der Bataillonsstab und die Kompanie seien nach Norden oder Süden abge-drängt worden.
Bis zur Linie Aizecourt-Le Haut – Bussu wurde im Laufe des Vormittags die vordere Linie zurückgedrängt. Das III. Bataillon – immer noch ohne Bataillonskommandeur und 10. Kompanie – klammerte sich unter Führung der Leutnants d. Res. Grasmüller, Reutter, Armleder und Gundel an die Höhe südlich Aizecourt-Le Haut und hielt sie bis zur Nacht. Der Widerstand war so zäh und für den Feind so verlustreich, daß er sich an einzelnen Stellen wieder bis Allaines zurückzog. An anderen Punkten griff er dagegen heftig an. Das I. Bataillon hielt sich trotzdem in der Schlucht nordwestlich Bussu. Es war dort dem Infanterie-Regiment 94 unterstellt, während das III. Bataillon bei Aize-court-Le Haut im Verlaufe des Gefechts dem Jägerbataillon 14 zugeteilt wurde.
Es wurde Spätnachmittag. Das Ringen war noch nicht zu Ende. Noch immer war keine genaue Meldung über das Schicksal des Bataillonsstabes und der 10. Kompanie einge-gangen. Verwundete hatten schon am Vormittage behauptet, Stab und Kompanie seien bis auf den letzten Mann dem Feind in die Hände gefallen. Jetzt, nachdem bei begin-nender Nacht etwas Ruhe eingetreten war, meldeten sich Augenzeugen, die aus der Nähe mit angesehen hatten, wie Major Fürst von Waldburg-Zeil, sein Ordonnanzoffi-zier, Leutnant d. R. Breuninger, der Bataillonsstab, der Führer der 3. Maschinengewehr-kompanie, Oberleutnant d. R. Burger und Leutnant d. R. Grünewald mit seiner 10. Kompanie in einem kleinen Grabenstück zusammengedrängt, sich lange heldenmütig gegen die Übermacht gewehrt hatten. Nach und nach schlossen die Engländer die kleine Schar von allen Seiten ein. Die Anschlußkompanien merkten in dem Durcheinander des Kampfes nicht, daß ihr Bataillonskommandeur und die 10. Kompanie am Feinde liegen geblieben waren. Und als sie Gewißheit darüber bekamen, war es zu spät zum befrei-enden Gegenstoß. In dem kleinen Grabenstück vorne war es still geworden.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

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