„Etwa
um 2.30 nachts ging beim Regiment der Befehl ein, daß heute, am 22. Oktober um
7.30 früh, der Angriff festgesetzt wird. Der Feind muß über die Aisne
zurückge-worfen werden.
Patrouillen
des I. und II. Batls. haben durch ständiges Vorfühlen festgestellt, daß der
Feind noch da ist, wo er sich gestern abend eingeschanzt hat. Dauernd liegt
eigenes Sperrfeuer auf den Brücken über die Aisne und den Straßen zwischen dem
Dorf Vandy und der Stadt Vouziers.
Punkt
7.20 früh setzt unsere Artillerie zu kurzem, energischen Feuerschlag ein;
sofort fordert der Franzose durch gelbe Leuchtkugeln Sperrfeuer an, das alsbald
kommt. Punkt 7.30 brechen unsere tapferen Männer aus ihren Löchern hervor;
sofort knattert wieder aus der rechten Flanke rasendes Maschinengwehrfeuer und
bringt dem II. Batl. schwere Verluste bei. Langsam kommt links das I. Batl.
vorwärts, sein Kommandeur, Haupt-mann d. R. Schier, ist bei der vordersten
Linie, er dringt bis ganz nahe vor den ersten Graben der Brunhildenstellung
vor; obwohl am rechten Knie durchschossen, verläßt er sein Batl. nicht, und
harrt aus, bis der Blutverlust ihn zwingt, das Kommando an Leut-nant d. R.
Kaufmann abzugeben. Nach 9 Uhr ist die Höhe 163, die sich zwischen der
Oldershauser- und der Sibyllenhöhe vorwärts erhebt, in der Hand des I. Batls.
Unser Artilleriefeuer liegt zu weit vorne, es muß näher herangezogen werden,
der Infanterie-angriff geht nicht so schnell vorwärts, wie die Artilleristen
wohl annehmen.
Ein
feindliches Fliegergeschwader erscheint ohne tätig zu werden. Von der Kuppe 172
südwestlich der Oldershauserhöhe setzt Maschinengewehrfeuer dem II. Batl stark
zu; mit Erfolg richtet unsere Begleitbatterie ihr Feuer dorthin, immer noch ist
die 9./Feld-art.-Reg. 6, die uns für heute in Aussicht gestellt ist, nicht da.
Das Regiment fordert diese Batterie dringend von der Untergruppe an, sie soll
sofort über Quatre Champs auf der Straße nach Vandy vorkommen; dort wird sie
den Regimentskommandeur finden. Aus dem Gefechtslärm links bei 127 und 475
erkennen wir, daß es auch dort vorwärts geht, aber unser rechter Nachbar greift
nicht mit an.
Gegen
11 Uhr kommt der erwartete feindliche Gegenstoß mit endlosen Massen, er richtet
sich in der Hauptsache gegen das I. Batl. auf Höhe 163. Hauptmann d. R. Schier,
der trotz seiner Verwundung noch hier steht, nimmt seine tapferen Männer – es
sind höchstens 80 Mann – geordnet nach de Ausgangsstellung zurück. Dort bricht
sich der feindliche Stoß, kein Franzose kommt einen Schritt weiter. Von einem
Einsatz der schwachen Reste des bayr. Res.-Reg. 24, die in Aussicht gestellt
werden, verspricht sich der Regimentskommandeur keinen Erfolg. Wir müssen, zum
Angriff zu schwach, halten was wir haben. Der Regimentskommandeur fordert
leichte Maschinengewehre und Bedienungsmannschaften und Draht an, um die
Waldränder zu verdrahten. Der uner-müdliche Ordonnanzoffizier, Leutnant d. R.
Gottlob Berger, stellt beim Nachbarregi-ment rechts die Lage fest. Allem nach
hat dieses Regiment den Angriff nicht mitge-macht, jedenfalls ist ein Erfolg
nicht zu verzeichnen.
Unser
III. Batl. unter Hauptmann Jörling war auf dem linken Flügel des Schlachtfeldes
neben dem III. Batl. 2. bayr. Inf.-Reg. unter Hauptmann Schenk eingesetzt
worden. Es hatte am 21. Oktober mehrere Tschecho-Slowaken gefangen genommen und
war am 22. Oktober früh eingesetzt worden, von Süden her die Brunhildenstellung
am Hang der Sibyllenhöhe rechts herauf aufzurollen. Nach gutem Vordringen von
einigen hundert Metern stockte der Angriff in dem unübersichtlichen Gelände. Ein
Volltreffer brachte dem in vorderster Linie befindlichen Bataillonsstab
empfindliche Verluste bei. Erbittert wird um einen Stollen, dann an der
Ban-Mühle am Fournellesbach, wo der Bataillons-arzt Dr. Weinhardt zeitweise den
Verbandplatz eingerichtet hat, gekämpft. Wieder und wieder schlagen schwere
deutsche Granaten auf diese unsere Stellung nieder; nach rückwärts gesandte
Meldungen um Abhilfe bleiben ohne Erfolg.
Gegen
4 Uhr abends setzt feindliches Maschinengwehrfeuer ein; feindliche Leuchtku-geln
fallen dicht vor uns nieder, wo die 3. M. G. K. unter Leutnant Frhr. v. Hermann
mit Vizefeldwebel Berger und Unteroffizier Gasser aus ihren 6 M. Gs. und einem
erbeuteten französischen Maschinengewehr unermüdlich schießt. Jetzt kommen
feindliche Maschi-nengewehrgeschosse auch von hinten. Da bleibt dem Hauptmann
Jörling, der die Stel-lung bis zum äußersten hielt, dem aber ein Gegenstoß des Inf.-Reg. 127 keine
Entlas-tung gebracht hatte, nichts übrig, als den Rückzugsbefehl zu geben, mit
seinem Stab Mann hinter Mann den Unterstand zu verlassen und sich in dem
Gestrüpp nach rück-wärts durchzuschlagen. Dem Bataillonsadjutanten Leutnant
Gunkel gelingt es; Leutnant Frhr. v. Hermann fällt auf einen Misthaufen und als
er wieder aufsteht, sieht er Haupt-mann Jörling, Leutnant Winter, den
Regimentstambour Vizefeldwebel Dettling, Vize-feldwebel Berger und Unteroffizier
Gasser nicht mehr.
Die
Reste des Bataillons, etwa 70 – 80 Mann, sammeln sich mit 3 Maschinengewehren
der 3. M. G. K., die ihre Kastenmunition gerettet hatte, bei Hauptmann Schenk,
der sie bei Claire-Fontaine unter dem Kommando des Leutnants Gunkel aufbaut.
Vergeblich warten dieser Adjutant und das Bataillon auf den Kommandeur –
Hauptmann Jörling kommt nicht mehr. Er war mit der Pistole in der Hand in dem
Gestrüpp von einem großen Haufen Tschechen umringt worden und fiel in die Hände
des Feindes; ebenso der Rest des Stabes.
So
verlor das III. Batl. seinen Kommandeur, der es seit Juli 1917 kommandiert und
vor Reims, vor Verdun, bei Conchy, an der Arnes und an der Aisne mit größter
Auszeich-nung geführt hatte, geliebt und verehrt von jedem Mann und jedem
Offizier. Das Batail-lon unter Leutnant Gunkel ist dann von dem III. Batl.
Inf.-Reg. 127 unter Hauptmann v. Hartlieb aufgenommen worden und hielt die
Verbindung nach links mit dem Käseberg, bis später Hauptmann Sautermeister vom
Inf.-Reg. 475 das Kommando übernahm.
Sobald
die Verhältnisse es erlauben, wird an der ganzen Front mit Nachdruck
gearbeitet. Leider hat der Verlauf des Tages nicht gehalten, was der Morgen
versprach, dagegen haben wir viele Helden verloren; es fehlt der Tapferste der
Tapferen, Hauptmann Jörling und der heldenmütige Hauptmann Schier. Solche
Führer, solche Vorbilder in allen mili-tärischen Tugenden sind nicht mehr ersetzt
worden.“
aus: „Die Geschichte des Württembergischen
Infanterie-Regiments Nr. 476 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921
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