„Am
25. Oktober 6.45 Uhr vormittags setzte im Abschnitt der Division schlagartig
Trommelfeuer auf die vordersten Linien, auf erkannte Reserven und Batteriestellungen
sowie auf rückwärtige Unterkünfte, insbesondere auch wiederum auf Neuville und
auf Anmarschwege ein.
Das
Feuer auf die vorderste Linie wanderte 7 Uhr vormittags feuerwalzenartig nach
Norden. Gleichzeitig wurde der West- und Südrand von Vesles von den Höhen
östlich und nordöstlich von Grandlup mit heftigem Maschinengewehrfeuer belegt.
Zahlreiche Mannschaften und drei leichte Maschinengewehre der 12. Kompagnie
wurden dadurch außer Gefecht gesetzt.
Die
10. Kompagnie hatte schon um 6 Uhr vormittags von Pierrepont eine Patrouille
über die Kanalbrücke vorgesandt, um die Stärke des Gegners festzustellen, der
sich in den Häusern an der Wegegabel westlich Pierrepont eingenistet hatte. Die
Häuser waren stark besetzt. Außerdem wurde ein auffallend lebhafter Verkehr auf
dem westlichen Kanalufer festgestellt. Die Maschinengewehre am Südwestrand von
Pierrepont gaben darauf Stö-rungsfeuer auf das westliche Kanalufer ab, bis sie
durch das gut liegende Vorbereitungs-feuer französischer Artillerie zum
Schweigen gezwungen wurden. Während dieses Feu-ers arbeitete sich der Gegner nahe
an Vesles und Pierrepont heran und stellte sich zum Angriff bereit.
Zugleich
mit dem Zurückverlegen des Artilleriefeuers brach der feindliche Angriff, ohne
vorausgehenden Schützenschleier, in dichten Massen gegen die beiden Dörfer
Vesles und Pierrepont vor. Vesles wurde mit den Hauptkräften von Westen her,
da, wo sich kein Sumpf befindet, angegriffen. Hier waren 2 Züge der 12.
Kompagnie mit 6 Maschinengewehren eingesetzt. Trotzdem, wie wir gesehen haben,
schon vor Beginn des Infanterieangriffs erhebliche Verluste durch feindliches
Artilleriefeuer bei der 12. Kompagnie eingetreten waren, hielt sich die
Besatzung des West- und Südwestrandes von Vesles lange Zeit gegen vielfache
Übermacht. Inzwischen gelang es dem Gegner sich im unübersichtlichen Sumpfgelände
mit kleineren Abteilungen von Süden und Süd-osten her an Vesles heranzupürschen,
die dort eingesetzten Postierungen im Nahkampf zu überwältigen und die
Besatzung des Westrandes im Rücken zu fassen. In der Front von einem weit
überlegenen Gegner beschäftigt, im Rücken bedroht, blieb der Kompag-nie nichts
anderes übrig, als sich kämpfend durch das Dorf auf die Hauptwiderstands-linie
hart nördlich Vesles durchzuschlagen. Den am Süd- und Südwestrand stehenden
Teilen ist es nicht mehr geglückt, sich zurückzuziehen, sie fielen in
Feindeshand.
Der
Gegner drängte der 12. Kompagnie auf dem Fuße in dichten Massen nach. Die 2
Züge der 6. Kompagnie, welche die Sicherheitsbesatzung der
Hauptwiderstandslinie nördlich Vesles bildeten, waren durch das halbstündige
Trommelfeuer geschwächt und erschüttert und nicht in der Lage, dem Vordringen
des Gegners vor der Hauptwider-standslinie halt zu gebieten. Sie mußten zugleich
mit den Resten der 12. Kompagnie bis in die Höhe noch weiter zurückstehender
schwerer M.-G.-Züge ausweichen, konnten jedoch mit deren Unterstützung das
Überschreiten der Hauptwiderstandslinie östlich der Klein Caumont Ferme zum
Stehen bringen. Gute Dienste leitete hierbei auch ein Geschütz beim K.-T.-K.
und zwei leichte Minenwerfer einer Tankkampfgruppe, beide etwa in der Mitte
zwischen Vesles und Cuirieux.
Das
6.45 Uhr vormittags einsetzende feindliche Artilleriefeuer hatte die
Fernsprech-leitungen vorwärts des Regimentsstandes Neuville an mehreren Stellen
zugleich gestört. Mit dem B.-T.-K. in Cuirieux konnte erstmals wieder 10.50 Uhr
vormittags durch Fernsprecher verkehrt werden. Die Blinker vermochten vor 9 Uhr
vormittags des dich-ten Bodennebels wegen nicht durchzudringen.
Der
Regimentskommandeur in Neuville hatte das gleichfalls in Neuville befindliche
Ruhebataillon (II.) 7 Uhr vormittags alarmiert. Durch schriftlichen Befehl
wurde vom Bereitschaftsbataillon de K.-T.-K. eine Kompagnie (2/3 6.) zum
Schutze der rechten Flanke unterstellt, der Rest des II. Bataillons hatte den
Auftrag, gegen einen über die Hauptwiderstandslinie auf Cuirieux durchstoßenden
Gegner zum Gegenstoß anzutreten.
Demzufolge
rückte die 7. Kompagnie in die Gegend östlich des Straßenkreuzes 82,5 und die
5. Kompagnie besetzte die Höhe südwestlich Cuirieux. Bei den während des
Vormittags vom Gegner verschiedentlich mit starken Kräften unternommenen
Versu-chen. aus Vesles heraus auf Cuirieux vorzudringen wurden die 5. Kompagnie
und 1/3 6. Kompagnie zur Verstärkung der schwachen Teile der 12. und 2/3 6.
Kompagnie einge-setzt.
9
Uhr vormittags wurde das I. Bataillon nach Cuirieux vorgezogen. Dort erhielt es
10.25 Uhr vormittags den Befehl, aus der Mulde westlich Cuirieux mit rechtem
Flügel Richtung Klein Caumont Ferme, mit linkem Flügel entlang der Straße
Cuirieux – Vesles (83,7 – Vesles) zum
Gegenangriff vorzugehen und sich in den Besitz der Caumont Ferme zu setzen. An
Stelle des I. Bataillons wurde dem Regiment das II./417 zur Ver-fügung gestellt,
das in Gegend Cuirieux rückte.
Der
Angriff des I. Bataillons kam nach anfänglich gutem Vorwärtsschreiten – wobei
10 Franzosen als Gefangene eingebracht wurden – bald in dem heftigen
Maschinengewehr- und Infanteriefeuer aus unserer bisherigen, nunmehr vom Feinde
dicht besetzten Haupt-widerstandslinie sowie in dem zusammengefaßten, gutliegenden
Feuer der feindlichen Artillerie zum Stehen.
Teile der 2. Kompagnie konnten späterhin vorübergehend in der
Hauptwiderstandslinie Fuß fassen, sie wurden jedoch von erdrückender Übermacht
wieder zurückgedrängt.
Die
zwischen Vesle und Pierrepont stehenden 2 Züge der 9. Kompagnie lagen den
gan-zen Tag über in hartem Abwehrkampf gegen starke aus nordwestlicher und
westlicher Richtung gegen ihre Flanke gerichtete Angriffe. Dem einmütigen
Zusammenwirken der leichten und schweren Maschinengewehre, einer leichten
Minenwerfergruppe sowie der Gewehrgranatenschützen und der mit Handgranaten
reichlich ausgestatteten Stoßtrupps unter der Führung des stets bewährten
tapferen Leutnants d. R. Traber ist es zu verdan-ken, daß die Stellung restlos
gehalten und der Gegner, der sich mehrmals bis auf nächste Entfernung hatte
heranarbeiten können, immer wieder zurückgeworfen wurde.
Nicht
minder heftige Kämpfe spielten sich während des ganzen Tages um den Besitz des
„Kopfes“, einer Erhebung westlich Pierrepont, ab.
7
Uhr vormittags hatte der Gegner nach ausgiebiger Artillerievorbereitung und
nachdem er die Besatzung der Brücke am Südwestausgang von Pierrepont mit Hilfe
zahlreicher Maschinengewehre und Gewehrgranaten niedergekämpft hatte, sich
durch überra-schendes Vorbrechen von mindestens drei Kompagnien aus den dicht
westlich der Kanalbrücke gelegenen Häusern den Übergang über den Kanal
erzwungen und war mit weiteren starken Kräften in das Dorf eingedrungen. Die am
West- und Ostrand von Pierrepont stehenden Teile der 10. Kompagnie konnten den Gegner,
nachdem er einmal mit gewaltiger Übermacht in die Hauptstraße eingebrochen war,
an der Besitznahme des ganzen Dorfes nicht mehr hindern, sie mußten sich, um
nicht in Gefangenschaft zu gera-ten, an die am Nordausgang des Dorfes liegende
Brücke, welche die einzige Rückzugs-möglichkeit bildete, durchschlagen. Eine
Aufnahme des Kampfes, Mann gegen Mann im Dorf, bot bei der gewaltigen
zahlenmäßigen Überlegenheit der Franzosen keinerlei Aussicht auf Erfolg.
Leutnant
d. R. Fischle der 10. Kompagnie gelang es mit seinem Zuge in der Nähe des
Nordausganges von Pierrepont noch rechtzeitig erneut Front zu machen, drei noch
feuerbereite leichte Maschinengewehre einzusetzen und durch ihr Feuer die in
der Dorfstraße nach Norden vordringenden Massen zum Stehen und in Verwirrung zu
brin-gen. Darauf nahm auch Leutnant d. R. Gagstätter, der mit einem Zug der 9.
Kompagnie und einem schweren M.-G.-Zug die Besatzung des „Kopfes“ bildete, den
Kampf gegen den Gegner auf, der nun den Nord- und Ostrand von Pierrepont stark
besetzte, im Dorfinnern mehrere Kompagnien sammelte und zu weiterem Vorstoß
bereitstellte. Leut-nant d. R. Fischle konnte sich am Nordausgang des Dorfes
nicht lange halten, er zog sich auf den „Kopf“ zurück und unterstellte sich dem
Leutnant d. R. Gagstätter.
Sehr
geschickt wußte der Franzose seine Feuerwalze mit dem Vorwärtskommen seiner
Infanterie in Einklang zu bringen. Auch seine sonstigen Maßnahmen waren gewandt
und zielbewußt. Auf dem Kirchturm von Pierrepont und auf anderen hohen Gebäuden
tauchten Maschinengewehre auf, welche den „Kopf“ und das Gelände östlich des
„Kopfes“, aus dem der Austritt aus dem Sumpfgelände vom „Kopf“ nach Osten
allein zu bewerkstelligen war, vollkommen beherrschten.
Sämtliche
Versuche des Gegners, sich in Besitz des „Kopfes“ zu setzen, wurden von der
tapferen Besatzung, welcher mit leuchtendem Beispiel die Leutnants d. R.
Gagstätter und Fischle vorangingen, meist erst nach erbittertem Nahkampf
abgewiesen.
Munition
und Nahkampfmittel gingen allmählich zur Neige, die zunehmenden Verluste
schwächten die Widerstandskraft immer mehr und mehr, da traf gegen 2.30 Uhr
nach-mittags auf Befehl des Regiments ein Zug der 5. Kompagnie – einzeln mußten
sich die Leute im feindlichen Maschinengewehrfeuer vorarbeiten – mit Munition
zur Verstär-kung ein. Mit dieser Hilfe wurde nicht nur der Kopf gehalten,
sondern die tapfere Besatzung des Kopfes warf sogar noch feindliche
Abteilungen, welche sich bis dicht an die eigenen Gräben hatten vorarbeiten
können, aus selbständigem Entschluß im Gegenstoß in das Dorf zurück.
Der
Verlust von Vesles und Pierrepont ist dem Einsatz vielfacher feindlicher
Übermacht zuzuschreiben, deren Angriff nach sorgfältiger, sehr wirksamer
Artillerievorbereitung die Kompagnien, welche in unübersichtlichem Gelände die
Dörfer mit schwachen Kräften zu verteidigen hatten, nicht standzuhalten
vermochten.“
aus:
„Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr.
125 im Weltkrieg 1914–
1918“ׅ, Stuttgart 1923
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