Mittwoch, 7. November 2018

7. November 1918




„Am 7. November, 7 Uhr vormittags, wich der dicht über dem Barbachtal lagernde Nebel. Schwaches Infanteriefeuer schallte durch die Waldungen und zeigte an, daß unsere Patrouillen noch immer sich vor der Front herumschlugen. Dann aber wälzten sich dichte und tiefe Schützenlinien heran. Ein kurzer Kampf und der Feind flutet zurück. Das Ersteigen der Höhen nördlich Cheveuges war nicht so leicht; der Feind setzte sich im Straßengraben und dem beim Dorf gelegenen Friedhof fest. Hier faßte ihn unsere Artillerie; er gab die Stellung bald auf. Der Auftakt für den Tag war gegeben. Siegessicher standen die dünnen Linien der Bataillone.
Gegen Mittag entwickelte der Gegner starke Kräfte aus dem Bois de la Queue, südlich Cheveuges. In 105 Wellen kam er heran. Sobald der Angriff erkannt war, schob das Regiment zwischen seine beiden Bataillone noch das ihm zur Verfügung gestellte I./32. Auch dieser Angriff zerschellte. Allein der Kampf war schwer; die eigene Artillerie konnte nur wenig helfen. Sie besaß nur noch Gasmunition; Brisanzgeschosse kamen nicht heran. Die in Deutschland ausgebrochene Revolution faßte ihren Grundsatz der Brüderlichkeit so auf, daß sie den noch kämpfenden Brüdern jede Zufuhr verweigerte. Im eigenen Gas, das ein ungünstiger Wind auf die Stellung zurücktrieb, traten schwere Verluste ein.
Das Regiment stand fest in seiner Stellung, als plötzlich links sich nähernder Kampf-lärm vernehmbar war. Die linke Nachbardivision ging auf die Maas zurück. Offen lag dem feindlichen Angriff die linke Flanke des Regiments. Schnell raffte dieses an Kräf-ten zusammen, was verfügbar war. Ein Bataillon des Inf.-Reg. 71 wird zum Flanken-schutz bereitgestellt. Der linke Flügel, 10. Kompagnie, biegt zurück. Schwer wird die Gefahr des Abdrängens von Sedan. Die ganze Division ist gefährdet. Für den Abend ist der Abmarsch hinter die Maas befohlen. Bis dahin gilt es, zu halten. Alles, was zurück-gesandt werden kann, wird in Bewegung gesetzt. Auf der Straße nach Sedan herrscht ein unglaubliches Gedränge. Die schwere Artillerie hat keine Munition mehr; sie geht daher zurück; die leichte hat nur Gas. Minenwerfer bleiben wegen Munitionsmangels untätig. Der Gefechtstroß muß schleunigst abgeschoben werden. Scharf drängt der Geg-ner an die Maas, der weichenden linken Nachbardivision nach auf Wadelincourt. Im Rücken des Regiments erhält Frenois Feuer von links. Ein Wunder, daß keine Panik ausbrach; ein Beweis für schwäbische Treue, für den Segen der Disziplin. Immer weni-ger werden die Verteidiger; doch sie halten bis zur Nacht und endlich dürfen auch sie hinter den schützenden Fluß.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

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